Enwor 8 - Der flüsternde Turm
die Hand aus, um die Kiinas zu ergreifen, und stolperte den Geröllhang hinauf, so rasch es ging. Unter ihren Füßen lösten sich Schutt und lockeres Gestein und drohten, sie immer wieder aus dem Gleichgewicht zu bringen, und einmal stürzte Kiina und hätte ihn um ein Haar mit sich gerissen; erst im letzten Moment fand er seine Balance wieder.
»Verdammt!« sagte er unwillig. »Paß auf, wo du...«
Wieder erscholl dieses metallische Geräusch, lauter und ungleich deutlicher jetzt, und für einen Moment sah Skar auch hinter dem Höhleneingang das unheimliche grüne Licht aufflackern, ein fremdes böses Glühen, das für den Bruchteil einer Sekunde den Schein des Feuers überstrahlte.
Wie in einer entsetzlichen Fiebervision sah er, wie die Gestalt des riesigen Quorrl am Höhleneingang von diesem unheimlichen Licht eingehüllt wurde und
irgend etwas
mit ihm geschah. Sein Körper schien zu flackern, erstrahlte für den Bruchteil einer Sekunde selbst in jenem unheimlichen grünen Feuer und kippte zur Seite.
Skar schrie auf, ließ Kiinas Hand los und warf sich vor. Er sah die Bewegung zu spät; vielleicht war er auch einfach nur zu überrascht, um darauf zu reagieren, denn ein Angriff Kiinas war nun wirklich das Letzte, womit er gerechnet hätte. Aber ganz genau das geschah: Sie war auf ein Knie herabgestürzt und stützte sich mit der linken Hand auf dem Boden ab, aber das war es nur, was er
dachte —
in Wirklichkeit suchten Kiinas tastende Finger nach einem Stein.
Skar riß die Arme in die Höhe, aber der Hieb war so wuchtig, daß er seine Deckung durchbrach; der scharfkantige Felsbrocken traf seine rechte Schläfe mit erbarmungsloser Wucht.
Der Schlag raubte ihm nicht das Bewußtsein, aber er lähmte ihn. Skar kippte hilflos zur Seite, rollte meterweit den Hang wieder herab und blieb bewegungsunfähig liegen. Seine rechte Körperhälfte war taub. Er spürte Blut über sein Gesicht laufen, aber nicht den allermindesten Schmerz, und er hörte, wie Kiina näher kam, war aber unfähig, sich zu bewegen. Irgendwo, weit außerhalb seines Gesichtsfeldes, flammte erneut dieses furchtbare grüne Licht auf, und jetzt hörte er auch Schreie, und obgleich er bewegungsunfähig dalag und nicht einmal den Kopf zu drehen vermochte, wußte er mit unerschütterlicher Gewißheit, daß in diesem Moment dort oben Titchs Quorrl starben; wahrscheinlich zusammen mit ihm; ebenso, wie er begriff, daß er sich wie ein Narr in die Falle hatte locken lassen. Weder für Kiina noch für Anschi oder eines ihrer Mädchen war dieser Angriff überraschend erfolgt. Kiinas angebliche Warnung hatte nur dem einzigen Zweck gedient, ihn von den Quorrl fortzulocken.
Er wartete darauf, daß der Zorn neue Kräfte in ihm mobilisierte, aber das geschah nicht. In seiner Schläfe erwachte allmählich ein dumpfer, pulsierender Schmerz, und ebenso allmählich kehrte auch das Gefühl in seine abgestorbenen Glieder zurück. Aber es war nur Schmerz; das Pulsieren von Nerven, die keine Befehle, sondern nur noch pure Agonie übertrugen. Wie durch einen Vorhang aus blutigem Nebel hindurch sah er Kiina näherkommen und neben ihm niederknien. Auf ihren Zügen erschien Schrecken, als sie erkannte, wie schwer sie ihn getroffen hatte. Ihre Finger berührten sein Gesicht, tasteten über seine aufgeplatzte Schläfe und seinen Nacken, und plötzlich verschwand der Schmerz wie abgeschaltet.
Aber auch jedes andere Gefühl.
Kiina drehte ihn ächzend auf den Rücken und bettete seinen Kopf auf einem flachen Stein. »Es tut mir leid, Skar«, sagte sie. »Aber es mußte sein.«
»Warum?« stöhnte Skar. Hinter Kiinas Silhouette verschlang grünes flackerndes Licht für eine Sekunde die Nacht. Ein weiterer von Titchs Kriegern, vielleicht er selbst.
»Um dich zu retten, du Narr«, antwortete Kiina. »Ich mußte es tun.«
»Du verdammte...«
Skar kam nicht mehr dazu, Kiina zu sagen, was er in diesem Moment von ihr hielt. Sie lächelte milde, streckte abermals die Hand nach seinem Nacken aus, und Skars Bewußtsein erlosch wie eine Kerzenflamme im Sturm.
D a es kein Schlaf war, sondern Betäubung, träumte er nicht.
Trotzdem spürte er, daß er nicht sehr lange ohne Bewußtsein gewesen war. Eine Hand aus Stahl lag in seinem Nacken und stützte seinen Hinterkopf, als er erwachte. Sein Kopf tat weh, und die gesamte rechte Seite seines Gesichts war taub, wo ihn der Stein getroffen hatte. Als er versuchte, die Augen zu öffnen, hob sich nur sein linkes Augenlid; unter das andere
Weitere Kostenlose Bücher