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EONA - Das letzte Drachenauge

EONA - Das letzte Drachenauge

Titel: EONA - Das letzte Drachenauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Goodman
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schürten. Ich erlebte Kygo als Kaiser, dessen Energien einzig und allein auf den bevorstehenden Krieg gerichtet waren. Nur einmal – am Morgen nach dem Zyklon – erlebte ich einige kostbare Momente mit Kygo als Mann. Tozay hatte die Kommandokajüte verlassen, um eine Kurskorrektur vorzunehmen, und Kygo und ich hatten uns allein an dem festgeschraubten Tisch gegenübergesessen, eine Karte des Reiches zwischen uns.
    »Ich habe ihm nicht gesagt, er solle Euch bitten, den Treueeid erneut zu brechen«, sagte er unvermittelt.
    Ich sah von der Landkarte auf.
    »Das hat Tozay aus eigenem Antrieb getan. Und er hat mir erst davon erzählt, als er mit Euch darüber einig war.«
    Ich richtete mich auf, als wäre einiges von dem, was mich innerlich belastete, von mir genommen. »Tozay sagte, dass Ihr mich nicht darum bitten würdet.«
    Kygo nickte. »Ich weiß, dass Ihr nicht töten wollt.« Er wies auf die Landkarte. »Doch Ihr seht ja, dass wir es ohne Euch nicht schaffen.« Er lächelte freudlos. »Ich stecke in einer der Zwickmühlen, vor denen mein Vater mich immer gewarnt hat: Prinzipien gegen Pragmatismus.«
    »Ich habe Ja gesagt, Kygo. Diesmal siegt der Pragmatismus.«
    »Pragmatismus ist wie Wasser, und Prinzipien sind wie der Fels«, zitierte Kygo leise den großen Dichter Cho. »Wenn man es nicht kanalisiert, sucht es sich schließlich seinen eigenen Weg durch den Geist.«
    Er kam um den Tisch herum, zog mich an sich und strich mir über das Gesicht. Wir küssten uns langsam, suchend und mit der sanften Dringlichkeit der Versöhnung. Und doch schoss mir mitten in unserer zärtlichen Vereinigung die Erinnerung an Idos wildes Verlangen durch den Kopf. Diese plötzliche Störung beschämte mich tief und ich löste mich von Kygo. Er hielt mich nicht zurück und es schien so, als wären wir jeder in der eigenen Schuld gefangen.
    Von Dela und Ryko sah ich nicht viel. Der Insulaner wich mir offenbar aus, doch eigentlich gingen die beiden allen aus dem Weg und nutzten die Zeit an Bord, um sich eine flüchtige Oase zu schaffen. Einmal, als ich auf dem Hauptdeck frische Luft schnappte, trat Dela zu mir und erzählte, sie hätten sich das Schweigen von Idos Wächter mit dem Wissen erkauft, dass er seinen Posten verlassen hatte, um ihr Stelldichein zu beobachten – eine Pflichtverletzung, die es dem Drachenauge erst möglich gemacht habe, zu entkommen.
    »Euer Bündnis mit Lord Ido macht mir angst«, sagte sie. »Vergesst nicht, was er getan hat.«
    »Ich habe es nicht vergessen.« Der frische Seewind wehte mir das Haar ins Gesicht.
    »Er bat mich, Euch eine Nachricht zu übermitteln.« Ihre Lippen wurden schmal, als bekäme sie bei diesen Worten einen bitteren Geschmack auf der Zunge.
    »Was für eine Nachricht?«
    »Dass Ihr ihm im Blut steckt.«
    Ich sah aufs Deck, um zu verbergen, dass es mir genauso ging.
    »Das sind die Worte eines Liebenden, Eona.«
    »Lord Ido liebt nur die Macht. Das weiß ich«, erwiderte ich, doch sie sah nicht überzeugt aus.
    Mit einer Verbeugung wandte sie sich zur Luke um.
    »Dela.« Sie sah zurück zu mir. »Hasst Ryko mich?«
    Ihre Miene entspannte sich. »Nein, Ryko hasst Euch nicht. Er will Euch retten, Eona. So wie er jeden retten will.«
    Ich sah sie weggehen und Traurigkeit schnürte mir die Kehle zu. Ryko wollte jeden retten, nur nicht sich selbst.
    Als wir endlich in der tiefen Hafenbucht vor Anker gingen, wo wir auf den östlichen Widerstand treffen sollten, beflügelte uns ein Gefühl der Erleichterung. Wir wollten wohl alle von Bord und mehr sehen als die dunklen Schatten in unserem Kopf.
    Es kommt nicht oft vor, dass die Wirklichkeit die schlimmsten Befürchtungen übertrifft.
    Ich stand an der Reling und betrachtete prüfend den Ausblick vor uns, eine Mischung aus öden Sanddünen, ockerfarbenen Felsen und kleinen Flecken mit niedrigem grünen Bewuchs, die in der untergehenden Sonne hell leuchteten. Das war der Osten – die Machtbastion meines Drachen –, und fünfhundert Jahre Vernachlässigung hatten ihn in eine heiße Wüste verwandelt, die nur von Grenzstämmen bewohnt wurde. Nun war der Spiegeldrache zurückgekehrt und mit ihm die grüne Wohltat der Erneuerung. Und falls die Götter uns gewogen waren, auch der Sieg.
    »Lady Eona.«
    Rykos Stimme weckte mich aus meinen Träumereien. Er hielt mir eine Rückenscheide hin, aus der die mit Mondstein und Jade besetzten Griffe von Kinras Schwertern ragten.
    »Seine Majestät hat befohlen, dass alle immer bewaffnet sein müssen«,

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