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EONA - Das letzte Drachenauge

EONA - Das letzte Drachenauge

Titel: EONA - Das letzte Drachenauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Goodman
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seine Liebste nennen.
    Der Anführer der Dünenleute zügelte sein Pferd. »Wir sind da«, erklärte er, und Kygo wandte seine Aufmerksamkeit von mir ab. Ein kleiner Gnadenakt, denn ich konnte ihm nicht länger in die Augen sehen.
    Der Mann wies nach vorn. »Eure Armee erwartet Euch, Majestät.« Er verbeugte sich im Sattel und ließ uns vorreiten und die Truppen ins Lager des Widerstands führen.
    Noch nie hatte ich so viele Menschen an einem Ort versammelt gesehen – nicht einmal in der Drachenarena oder im Kraterlager. Unwillkürlich hielt ich Rens Zügel fester und nahm die Stute leicht an die Kandare, während wir zwischen tief verneigten Rücken hindurchritten, die sich zu beiden Seiten Hunderte Meter weit in die fahle Morgendämmerung zogen. Dahinter erhoben sich niedrige Militärzelte und die höheren, runden Stammeszelte in langen Reihen wie Straßen in der Stadt, und die letzten waren so weit entfernt, dass sie im Schein der Feuerstellen nur als weiße Punkte auszumachen waren.
    All dies stand unter Kygos Kommando. Und unter dem Schutz meiner Macht.
    Ich warf einen kurzen Blick auf den Kaiser. Er sah nicht nach links oder rechts und wiegte sich nicht mehr entspannt im Rhythmus seines Pferdes, sondern saß sehr aufrecht und in königlicher Haltung auf seinem Tier. Seine ganze Aufmerksamkeit war auf die sechs Männer gerichtet, die sich vor einem riesigen Rundzelt, dessen Lage und Größe es zum Versammlungsplatz bestimmten, vor uns verneigten.
    Als ich Ren sauber neben Kygos Tier zum Stehen brachte, empfand ich kurz eine aberwitzige Freude: Ich war nicht vom Pferd gefallen und mir war sogar das Anhalten gelungen. Kygos Beispiel folgend, schwang ich das Bein über Rens Rücken und ertastete den Boden, und während der Drehung konnte ich einen raschen Blick auf Ido werfen, der noch hinter uns auf dem Pferd saß. Einer der Dünenmänner schnitt ihn gerade vom Sattel los.
    »Erhebt euch«, befahl der Kaiser.
    Die sechs Männer standen auf. Ich drehte mich um und sah am Griff von Kinras Schwertern vorbei, wie Kygos Kommando durch das Meer der Menschen hinter uns lief wie eine Welle.
    »Das ist Lady Eona – das Spiegeldrachenauge und mein Kaiserlicher Naiso«, sagte Kygo.
    Die Männer ließen ihren Blick über mich huschen. Obwohl keiner von ihnen eine Regung zeigte, spürte ich ihre Enttäuschung, als hätte man sie mir ins Gesicht gebrüllt: Ein Mädchen .
    »Ihr kennt General Tozay«, fuhr Kygo fort. Dann wandte er den Kopf. »Und das ist Lord Ido, das Rattendrachenauge.«
    Auf diese Vorstellung hin warfen die sechs Männer einander einen durchdringenden Blick zu. Ringsum erhob sich Geflüster. Einer der sechs – ein Mann um die dreißig, der ständig gegen die Sonne zu blinzeln schien und bullige Kraft ausstrahlte – trat vor. Die Ärmel seines hellroten Mantels waren mit zwei gestickten Adlern verziert. Alle sechs trugen satte Farben (smaragdgrün, himmelblau, rot, lila und orange) und ihre Kleidung wirkte angesichts der ansonsten durchweg ausgeblichenen Stoffe noch farbenprächtiger.
    »Willkommen, Majestät und Lady Eona«, sagte der Mann und würdigte Ido keines Blickes. »Ich bin Rulan, der Anführer der Haya Ro. Seid gegrüßt im Namen aller Stämme.«
    »Rulan«, entgegnete Kygo. »Lord Ido ist das Rattendrachenauge. Begrüßt also auch ihn.«
    Der stattliche Mann drehte sich zu Ido um. »Er ist ein Verräter.«
    »Begrüßt ihn!«
    Rulans Lippen wurden schmal. »Und wir begrüßen auch Lord Ido«, sagte er zwischen zusammengebissenen Zähnen. Kygo hatte die erste Runde gewonnen. Rulan wies auf den Mann in Smaragdgrün. »Das ist Soran, Anführer der Kotowi und Stammesbruder der Haya Ro.« Er stellte auch die übrigen vier Männer hinter ihm vor und nannte ihre Stammeszugehörigkeit, doch all dies verschwamm zu einer Abfolge fremdartig klingender Worte. Ich hatte gesehen, welch böses Blut Ido im Dorf Sokayo entgegengeschlagen war, doch die Ablehnung hier war noch größer.
    Als Rulan mit einer Verbeugung geendet hatte, trat der zuerst Vorgestellte vor. »Majestät, darf ich gehen, um meinen Tochtersohn Dela zu begrüßen? Ich habe sie seit sechs Jahren nicht mehr gesehen.«
    Das war Delas Vater? Bei genauerem Hinsehen gab es Ähnlichkeiten: die stolze Nase, die tief in den Höhlen liegenden Augen, den humorvollen Zug im kantigen Gesicht.
    Kygo nickte lächelnd. »Natürlich, Soran. Ich weiß, dass Dela als Geisel in den Palast meines Vaters kam, doch er hat sie gemocht und sie war bei Hofe

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