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EONA - Das letzte Drachenauge

EONA - Das letzte Drachenauge

Titel: EONA - Das letzte Drachenauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Goodman
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das sein Gewand?«
    Ich schnappte das Kleidungsstück und hielt es ihr hin. Sie riss es mir aus der Hand und ihre Lippen wurden schmal. »Ich hoffe, Ihr wisst, was Ihr tut.«
    »Wir haben das Boot gerettet!«, entgegnete ich verwirrt.
    Der Insulaner fuhr zu mir herum. »Ich weiß – das habe ich gespürt!«, rief er und stach mit dem Finger in meine Richtung. »Ihr solltet Euch lieber eine Geschichte ausdenken – eine, in der ihr nicht zusammen vorkommt.«
    Dela zog Ido auf den Gang. Ryko warf mir noch einen vernichtenden Blick zu, bevor er den beiden folgte. Ich machte einen Schritt zur Tür und blieb dann stehen. Was sollte ich Kygo sagen? Noch immer surrte Macht durch meinen Körper und ich spürte Idos Berührung heiß auf der Haut. Ich sah mich in der Kajüte um. Die Matratze war verrutscht. Mit zitternden Händen schob ich sie wieder an ihren Platz, zog mein Gewand zurecht und versuchte, die Fassung wiederzuerlangen – und mir eine überzeugende Lüge auszudenken. Als ich mir mit der Hand über den Mund fuhr, spürte ich, dass meine Lippe aufgeplatzt war. Ich drückte einen Finger auf die Wunde und der leise Schmerz war wie ein Echo der verzehrenden Scham, die allmählich in mir aufstieg.
    Ich war fünfmal in der Kajüte auf und ab gegangen, als Schritte ertönten. Ich blickte zur Tür und in dem schmalen Rahmen erschien Kygo, gefolgt von Meister Tozay. Beide waren triefend nass. Auch Kygo war auf dem Hauptdeck gewesen und hatte sich wie immer ins Getümmel gestürzt. Ein verquerer Gedanke jagte mir unnötig Angst ein: Wenn Kygo unter Deck in Meister Tozays Kajüte geblieben wäre, dann hätte er uns gehört. Ich machte eine tiefe Verbeugung und war froh, mein Gesicht für einen Moment verbergen zu können.
    »Lady Eona, wart Ihr das? Habt Ihr die Wogen geglättet? Tozay sagt, das vermag bei einem Sturm nur Drachenmacht.« Er legte mir die Hand auf die Schulter und zog mich hoch. Ich stand auf und stellte mich ihm. Er würde die Wahrheit in meinen Augen lesen, oder?
    »Ja.«
    Kygo nahm meine erhitzte Hand, und seine Haut kam mir ganz kalt vor. »Wie habt Ihr das geschafft? Ich dachte, Ihr könnt Eure Macht nicht einsetzen, wenn Ido Euch nicht vor den anderen Drachen schützt?«
    Ich wappnete mich; diese Lüge würde schwierig werden. »Das kann ich schon, Majestät, aber nur ganz kurz. Darum habe ich uns auch nur mit knapper Not vor dem Sturm bewahrt.« Ich sah an Kygo vorbei zu Tozay. »Ich hoffe, es ist genug, Meister Tozay. Mehr kann ich nicht tun.«
    »Ja, Lady Eona«, erwiderte Tozay. »Ihr habt uns alle gerettet. Danke.« Er verbeugte sich.
    »Aber wie?« Kygo ließ sich nicht abbringen.
    »Ich habe viel von Lord Ido gelernt, Majestät.« Vier Jahre lang zu lügen, um zu überleben, das hatte mich geübt darin, dass mein Blick fest war und meine Stimme ganz ruhig. »Dafür haben wir ihn schließlich aus Sethons Gewalt gerettet.«
    Kygos Blick war ebenso fest. »Es ist gut zu wissen, dass er die ganze Mühe wert ist.« Er lächelte. »Eure Macht, Eona, ist langsam wirklich beeindruckend.«
    »Und sie ist Euch zu Diensten, Majestät.«
    Ich sah, wie er Tozay einen raschen Blick zuwarf. »Das habe ich gehört.«
    Hatte Ido recht? Benutzte Kygo mich?
    »Ihr habt Euch an der Lippe verletzt«, sagte er und berührte seine vollen Lippen.
    »Ich muss mich gebissen haben«, erwiderte ich und war froh, dass er nicht auch mein Herz rasen sah und dass er meinen inneren Aufruhr nicht bemerkte.

20
    M it der Kraft unserer unerlaubten Macht hatten Ido und ich bewirkt, dass die Dschunke einen Tag schneller war als geplant, und sie aus dem Einflussbereich des abgeschwächten Zyklons gebracht. Den Rest der Reise verbrachte ich zum großen Teil in ausführlichen Besprechungen mit Kygo und Tozay über den Kriegszug. Wenn ich nicht in der Kommandokajüte war und mir dort Karten ansah oder über Strategien diskutierte, saß ich entweder mit meiner Mutter zusammen und sprach mit ihr über Belanglosigkeiten oder über meinen Vater und meinen Bruder, die ich nie kennengelernt hatte, oder ich lag beschämt und verwirrt in meiner Koje und wälzte düstere Gedanken, die unweigerlich damit endeten, dass ich noch einmal durchlebte, wie Ido den Wirbelsturm bezwang. Und wie unsere Macht so mächtig angewachsen war – unsere gemeinsame Macht.
    In den Planungssitzungen konnte ich immerhin in Kygos Nähe sein, obwohl der bevorstehende Schlag gegen Sethon und meine Doppelrolle als Auslöser und als Waffe in diesem Kampf die Angst in mir

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