Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
EONA - Das letzte Drachenauge

EONA - Das letzte Drachenauge

Titel: EONA - Das letzte Drachenauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Goodman
Vom Netzwerk:
geschätzt.«
    Soran zog sich mit einer Verbeugung zurück. Ich sah Delas Miene in dem wunderbaren Moment, als ihr Vater vor sie hintrat: welche Liebe! Und welche Herzlichkeit zwischen ihnen war, als Soran sie an sich drückte! Meine Mutter sah mit einem traurigen Lächeln zu. Verglich sie unser Wiedersehen mit der Freude dieser beiden Menschen? Sie war eine gute Frau und sie verdiente mehr als die höfliche Distanz, die ich ihr auf dem Schiff entgegengebracht hatte. Immerhin waren wir miteinander verwandt.
    Ich drehte mich wieder um und stellte fest, dass Rulan uns zur hölzernen Tür des Rundzelts führen wollte. Es war mit hellem Segeltuch bespannt und durch einige Löcher war ein dunklerer Boden zu sehen, der wohl aus Wolldecken oder Fellen bestand. Boden und Zelt waren durch Seile säuberlich verbunden. Ich hatte gehört, dass sich solche Bauten binnen einer Stunde zerlegen und abtransportieren ließen und dass sie doch fest genug waren, um Sandstürmen standzuhalten.
    Als ich Kygo ins Zelt folgte, hielt ich inne angesichts der plötzlichen Farbenpracht und Üppigkeit. Die Wände waren mit hellem Leinen bespannt, auf das rote, weiße und grüne Rauten gedruckt waren, und überall auf dem Boden waren mehrere Lagen gewebter Teppiche ausgebreitet, deren rote, grüne und gelbe Farbmuster ins Auge sprangen. Zwei hohe, kunstvoll geschnitzte Stangen in der Mitte stützten die Spitze des Zelts und dazwischen stand ein offenes Becken mit glühenden Kohlen, die Wärme und sanftes Licht verbreiteten. Bänke mit gepolsterten Sitzen aus bedrucktem oder gefärbtem Leinen waren kreisförmig aufgestellt, und in der Mitte war ein runder Platz ausgespart. Eine Bank stand höher als die anderen und es waren keine Sitze mehr dahinter: der Thron. Rulan führte uns dorthin. Der Kaiser und sein Naiso-Drachenauge sollten sich darauf niederlassen.
    Es dauerte nicht lange, bis das runde Versammlungszelt voller Menschen war. Da es nur eine Tür gab, entging mir nicht, wie erst meine Mutter, dann Dela und Soran eintraten, und die Wiedersehensfreude zeigte sich nun auch in den geröteten Augen und darin, dass Soran Dela beschützend den Arm um die Schulter gelegt hatte. Und Idos Auftauchen übersah ich ebenso wenig wie die Tatsache, dass die Einheimischen unauffällig zurückwichen, als Yuso und Ryko ihn zwischen den Bänken hindurchführten. Seine Hände waren nicht mehr mit einem Seil gefesselt, sondern steckten in schweren Eisenketten.
    Als Kygo bemerkte, dass mein Blick auf die Ketten gerichtet war, flüsterte er mir ins Ohr: »Die Haltbarkeit von Eisen beeindruckt diese Leute mehr als ein Seil. Sie töten ihn sofort, wenn sie denken, er sei nicht unter Kontrolle.«
    Ido hob das Kinn und seine Bernsteinaugen verhärteten sich ins Rotgoldene. Auch als er mich ansah, veränderte sich ihr Ausdruck nicht. Man hatte ihn auf die vorderste Bank zu meiner Rechten gesetzt. Ich zwang mich, ihn nicht länger anzuschauen, und ließ meinen Blick über die Menschen im Versammlungszelt wandern. Rulan und seine fünf Gefolgsleute saßen rechts von uns. Von unseren Leuten abgesehen, schienen die übrigen vierzig – darunter einige Frauen – in ihrem Stamm eine hohe Stellung innezuhaben. Alle trugen farbenprächtige und aufwendig bestickte Festgewänder. Und alle beobachteten Kygo und mich, während die dicken gepolsterten Wände das anhebende Wispern dämpften.
    Auf seinem niedrigeren Sitz verbeugte Rulan sich vor Kygo, klatschte in die Hände und ließ einen Aufmerksamkeit heischenden Blick durch das Zelt schweifen. »Unser Kaiser ist da und wir haben viel zu besprechen«, sagte er, als es allmählich still wurde. »Zunächst müssen wir Lady Eona und dem Spiegeldrachen die Ehre erweisen. Viele Generationen lang hat es im Osten keinen Drachen gegeben und vielleicht wird Lady Eona unsere Sitten und Gebräuche nicht verstehen. Wir haben überlebt und unsere Unabhängigkeit mag als Beleidigung erscheinen. Doch wir empfinden durchaus Achtung, Lady.« Er gab den beiden Männern an der Tür ein Zeichen, sie erneut zu öffnen, und wandte sich wieder mir zu. »Normalerweise würden wir es nicht zulassen, dass eine solche Schwäche uns mit ihrem Unglück ansteckt, doch wir haben gehört, dass diese Leute Euch wichtig sind.« Er hob die Hand, um das anschwellende Gemurmel zu ersticken. »Es ist eine Geste des guten Willens, wenn Ihr so wollt.«
    Verwirrt blickte ich zum Eingang.
    Einen Moment lang erkannte ich die Frau nicht. Dann stürmte alles auf mich ein,

Weitere Kostenlose Bücher