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Epicordia

Epicordia

Titel: Epicordia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
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Mechanikerin?«
    Â»Das sagten Sie bereits«, antwortete sie leicht
genervt. »Da hätten Sie auch genauso gut Alisha Folders mitnehmen können.«
    Â»Ich habe sie gefragt. Sie arbeitet bereits an einer
Lösung, wollte mich aber nicht begleiten. Ich schätze, sie fürchtet sich.«
    Â»Sie ist feige?«
    Das verwunderte Lara. Eigentlich hatte sie Alisha
Folders für eine ganz patente Frau gehalten.
    Â»Eine Menge der alten Meister sind damals etwas … na
ja, sagen wir seltsam geworden. Aber das dürfte dir
ja bekannt sein.«
    Oh ja. Lara wusste nur zu gut, was er mit damals und mit seltsam meinte.
    Â»Ich erkläre dir, was deine Aufgabe ist, sobald wir
hier wieder raus sind. Abgemacht?«
    Das klang irgendwie nach einem Kuhhandel, auf der
anderen Seite wollte Lara auch keineswegs respektlos erscheinen, also nickte
sie bloß. Lord Hester schien diese Geste zufriedenzustellen, obwohl er sie
hinter seinem Rücken eigentlich nicht hatte sehen können.
    Sie blieben vor einem Fachwerkhaus stehen, das
reichlich urtümlich wirkte. Der erste Stock ragte über das Erdgeschoss hinaus
auf die enge Gasse, die sie entlanggegangen waren, und wurde von Balken
abgestützt, sodass er wie eine Art Vordach wirkte. Die dunkle, beinahe schwarze
Eichentür, die als Eingang diente, wurde links und rechts von Steinquadern in
der Mauer flankiert, was angesichts des
Fachwerks äußerst ungewöhnlich schien. Lara einigte sich mit ihrem Verstand
darauf, dass es nun mal typisch englisch war, solch einen architektonischen
Mist zu verzapfen – denn als Schottin war es ihr immer schon leichtgefallen,
den Engländern alles in die Schuhe zu schieben, was ihr seltsam erschien oder
nicht wirklich in den Kram passte.
    Rings um sie herum versammelten sich die Raben auf
Fensterbänken und Regenrinnen und beäugten neugierig das weitere Vorgehen Lord
Hesters. Der blieb einige Sekunden lang unschlüssig vor der dunklen Tür stehen,
dann betätigte er den archaisch anmutenden Türklopfer, es war ein riesiger
Wasserspeierkopf von der Größe eines Kuchentellers.
    Auf das Klopfen reagierte
niemand. Lord Hester trat einige Schritte zurück und spähte nach oben zu den
Fenstern des ersten Stocks. Der Himmel nahm bereits eine dunkelblaue Färbung
an. Das frühe Ende einer Sommernacht kündigte sich an.
    Eine einzelne Rabenfeder glitt aus den blauen Ärmeln
von Lord Hesters Mantel. Sie schwebte sachte empor, obwohl sich kein Lüftchen
regte, nur getragen von Lord Hesters geheimnisvoller Magie. Mehrmals klopfte
sie mit dem Kiel leicht, doch gut hörbar an verschiedene Fenster im ersten
Stock.
    Â»Das ist eigenartig«, murmelte der Lord in seinen
Backenbart. Schließlich schoss die Feder hoch in die Luft, bis sie endlich von
einer lauen Brise erhascht und fortgetragen wurde über die große, große Stadt.
    Lord Hester betätigte noch einmal den Türklopfer, doch
erneut erntete er keine Reaktion. Schließlich drückte er versuchsweise die
Türklinke herunter – und siehe da, die dunkle Eichentür schwang lautlos auf.
    Â»Das«, bemerkte er, »ist noch sehr viel eigenartiger.«
    Er trat ein in einen dunklen Flur. Holzdielen knarrten
unter seinen Schuhen.
    Lara schluckte einmal trocken, dann folgte sie ihm.
Wirklich wohl fühlte sie sich nicht in ihrer Haut.
    Â»Zumindest ist das ein Hinweis darauf, dass wir auf
der richtigen Spur sein könnten«, murmelte Lord Hester mehr zu sich selbst als
zu Lara, während er mit behutsamen Schritten durch den Flur ging, der bloß vom
Widerschein der noch sehr schwächlichen Dämmerung und dem Mond erhellt wurde.
    Es knisterte unter Laras Chucks, als träte sie in auf
dem Boden ausgestreute Cornflakes.
    Lord Hester erreichte die Tür am Ende des kleinen
Flurs und schwang sie auf. Er trat hinein, wobei sich das Knistern und Knacken
unter seinen Füßen noch verstärkte.
    Eine Handbewegung von ihm und das Licht im Raum ging
an. Eine Rabenfeder hatte, unbemerkt in der Dunkelheit, auf den Lichtschalter
gedrückt.
    Und endlich erkannte Lara, woraus dieser Raum in
erster Linie bestand: Spiegelscherben. Überall. Knöcheltief an den meisten
Stellen.
    Es war ein edel eingerichteter
Raum gewesen. Wertvolle Stoffe bekleideten die Wände. Ursprünglich hatte es
offenbar auch Möbel gegeben. Kleine Beistelltischchen und einige niedrige
Kommoden. Doch was von ihnen noch stand,

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