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Epicordia

Epicordia

Titel: Epicordia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
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Gottesanbeterinnen
kriegen.«
    Er klopfte Lara anerkennend auf die Schulter. Doch
genauso klar war mit diesem Klopfen ausgedrückt, dass es nun wohl Laras Aufgabe
sein würde, sich eine Lösung für ihr Problem zurechtzutüfteln. Immerhin hatte
sie schon einmal eine Idee geliefert.
    Â»Und warum haben sie gerade mich dafür
ausgesucht?«, fragte sie zögerlich weiter.
    Â»Oh.« Der Lord lächelte.
»Dafür gibt es zwei Gründe. Erstens halte ich dich für kreativer als die meisten
deiner Kollegen. Und zweitens hast du eine Geschichte, die dich persönlich mit
Winter verbindet. Wenn auch auf sehr bittere Art und Weise. Doch genau deshalb
weiß ich, dass du all deine Kraft und all deinen Verstand in die Lösung des
Problems stecken wirst.«
    Â»Winter«, murmelte Japser hinter ihnen. Es klang
unglaublich hasserfüllt.

    Der frühe Morgen ist eine sonderbare
Tageszeit.
    Wenn man es schaffte, sich aufzuraffen, war man voller
Energie. Der Tag war noch jung, noch
unschuldig, hatte einem noch nichts getan, wofür man ihm böse sein
musste.
    Doch wenn man in der Nacht zuvor kaum geschlafen
hatte, erinnerte der Morgen einen grausam daran.
    Als sie das Burgtor passierten, erinnerte sich Lara,
wie sie einmal auf einem Balkon des Bergfrieds einen Sonnenaufgang über der
Stadt beobachtet hatte. Es war wunderschön gewesen, wie die Stadt innerhalb
einer Stunde das komplette Farbspektrum von nächtlich verschlafenem Schwarz und
Blau über das blasse Türkis und Rot des Morgengrauens bis hin zu einem
bernsteinfarbenen Sonnenaufgang durchlaufen hatte, der schließlich im
düstergoldenen Erscheinungsbild der Stadt gipfelte, das Ravinia so eigen war.
Es schien, als hätte Rembrandt sie gemalt.
    Und wie schon einmal Jahre zuvor, so gab es auch an
diesem Morgen ein freudiges Wiedersehen im Hof der Burg Ravinia.
    Patrick Davenport,
Francesco Bastiani und Kommissar Hermann Falter standen an das Tor des
Bergfrieds gelehnt und blickten stumm ins Nirgendwo.
    Doch als Patricks Blick auf die eintreffende
Reisegruppe am Burgtor fiel, lief er zu ihnen hinüber. Ein Lachen strahlte aus
seinen Augen, die – so wusste Lara inzwischen – schon so viel Traurigkeit
ausgedrückt hatten. Er wirkte übernächtigt, doch irgendwie auch voller
Tatendrang. Ein wenig nervös auf seine Art.
    Seine Umarmung war für Lara jedoch der absolute
Höhepunkt der vergangenen Stunden und sie merkte, wie ihr Herz einen Satz
machte. Vor Erleichterung, vor Freude und mehr.
    Francesco war derweil ebenfalls zu ihnen
hinübergeeilt.
    Â»Francesco«, rief Lara aus und umarmte auch ihn, wobei
dieser sich nicht hundertprozentig
wohlzufühlen schien. »Was machst du denn
hier?«
    Doch als sie in seine Augen blickte, wusste sie, dass
er – wie alle hier Versammelten – nicht ganz freiwillig da war.
    Â»Ich bin etwas früher im Rondell gewesen«, erklärte er
blass. »Schließlich sollten Eheleuten auch ab und an ein paar gemeinsame
Stunden vergönnt sein. Tja, und was dort geschehen ist, weißt du ja bereits.«
    Natürlich wusste Lara, was dort geschehen war. Und sie
versuchte, nicht im Detail daran zu denken.
    Â»Bist du verletzt?«
    Francesco verneinte und an Lord Hester gewandt fuhr er
fort: »Und so langsam brauche ich etwas Dickeres zum Anziehen. Sie wissen, dass
ich kein großer … Fan von Sonnenschein bin.«
    Â»Aber natürlich«, beschwichtigte der Lord ihn.
    Wenige Minuten später war Francesco mit einem langen
schwarzen Umhang aus irgendeinem dicken Wollstoff versorgt, dessen Kapuze er
sich tief ins Gesicht ziehen konnte. Bald würde die Sonne ihre allerersten
Fühler nach Ravinia ausstrecken.
    Lord Hester und Kommissar
Falter sonderten sich ein wenig von der Gruppe ab und steckten die Köpfe
zusammen. Was genau sie sagten, konnte Lara nicht verstehen.
    Â»Was ist los?«, fragte Lara die Übrigen. »Hat sich
noch irgendetwas ergeben?«
    Francesco ließ ein hämisches Grinsen über seine Züge
huschen.
    Â»Außer dass dein Freund hier versucht hat, in Dismas
einzubrechen?«, bemerkte er trocken.
    Lara sah Patrick an.
    Â»Im Ernst?«, wunderte sie sich und wusste nicht, ob
sie begeistert oder entgeistert sein sollte. »Du wolltest ins Gefängnis von
Ravinia einbrechen? Warum?«
    Patrick druckste herum.
    Â»Tja, die Idee war eigentlich ganz einfach: Wir
wollten die Skinners ein wenig

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