Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Epicordia

Epicordia

Titel: Epicordia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
Vom Netzwerk:
Worten zusammenfassen.
    Die Minuten und Stunden der Schlacht verflossen im
Nachhinein zu einem rauschenden Wirbel, einer schnellen Folge von Bildern. Lara
wusste schon sehr bald nicht mehr, wo ihr der Kopf stand.
    Geneva hatte Lara weit nach
hinten beordert. Hinter die letzten Reihen des nervösen
Mondvolkes. Von dort sah sie nicht besonders viel, nur von Zeit zu Zeit
zwischen den Köpfen vor sich hindurch die Eingänge zu den Tunneln.
    Und die lauernden Gottesanbeterinnen.
    Sie griffen nicht an, solange sie nicht angegriffen
wurden. So waren sie erbaut, gedacht, geschaffen.
    Lara wunderte sich, wohin ihre Gedanken während dieser
Momente wanderten. Ihre Wahrnehmung verengte sich zu Tunneln, blendete das
Geschehen um sie herum teilweise völlig aus. Sie überlegte, welche Magie wohl
hinter den Mechaniken stecken mochte. Nach welchem Muster sie reagierten.
    Phantasie wurde oft als etwas Schönes,
Erstrebenswertes dargestellt. Mit Phantasie konnte man Bücher, Bilder,
Kunstwerke, ja ganze Welten erschaffen. Doch je länger Lara über die
Gottesanbeterinnen nachdachte, desto mehr fand ein anderes Wort seinen Weg in
ihren Geist: Kreativität.
    Kreativität war nicht so
positiv besetzt. Es war die Fähigkeit, etwas zu schaffen,
notfalls aus dem Nichts. Die Fähigkeit, die Möglichkeiten eines Lebens zu immer
neuen Konstrukten zusammenzusetzen. So war es nicht nur bei ihren Schlüsseln,
die sie auf so phantastische Art und Weise von einem Ort zum anderen
transportieren konnten. Nein, so war es auch mit den feindseligen, destruktiven Werken der Menschen von Ravinia. Seien
es Nicolaes’ düstere Zeichnungen, die sie vor Jahren in Amsterdam so erschreckt
hatten. Seien es Ma’Haraz’ Flammenflügel oder das grausige Gedicht, das ihn an
seinen Herrn band. Und genau auf diese Weise verhielt es sich auch mit den
Gottesanbeterinnen. Sie waren an und für sich Wunder. Wunderbar gefertigt, filigran und von immenser
Beweglichkeit. Eine düstere Phantasie hatte ihnen Leben eingehaucht.
Wohl die von Ruben Goldstein. Genau wie es die richtige Mischung aus
Materialien, handwerklichem Geschick, kontrolliertem Wollen und Wünschen war,
die es Lara ermöglichte, magische Schlüssel zu fertigen – genauso war es diese
Mischung, die eine Horde blitzgefährlicher mechanischer Tiere zum Leben erweckt
hatte.
    In irgendeiner Geschichte
von irgendeinem ehemaligen Soldaten hatte sie vor Jahren in der Schule gelesen,
dass der Krieg einen veränderte. Nicht nur in der Seele, die abstumpfte,
sondern auch körperlich. Die Beschreibung hatte sie berührt, weil ihr deutlich
geworden war, dass Krieg und Frieden Leben waren, die in der Wahrnehmung der
Beteiligten an zwei unterschiedlichen Orten stattfanden. Ja, nicht einmal auf
demselben Planeten.
    Ihr Fokus richtete sich erneut auf die
Gottesanbeterinnen.
    Hatte es vor ein paar Tagen noch so ausgesehen, als
würden sie um jedes ihrer Teile verbittert und bis zum Schluss kämpfen, waren
sie jetzt nicht mehr in der Lage dazu. Jemand hatte zwei der gefüllten
Sandsäckchen in ihre Mitte geworfen und die Gottesanbeterinnen hatten den
Fehler gemacht, diese, begleitet von ihrem ekelerregenden mechanischen Gezirpe,
aufzuschlitzen. Bis sich der Sand in ihnen verteilt hatte, waren nur Sekunden
vergangen. Sie stockten, knackten. Der Sand setzte sich in alle Speichen und
Zahnräder, in jedes Gelenk und jedes Scharnier. Die mechanischen
Gottesanbeterinnen litten schnell unter Lähmungserscheinungen. Es wirkte ein
wenig, als hätte man echte Insekten mit Gift besprüht, die nun qualvoll
zugrunde gingen.
    Die Verbündeten um Lord Hester herum mussten nicht
einmal einschreiten. Alle Sorge, die Lara sich um ihre Freunde hätte machen
können, wollte sich nicht einstellen. Der Sand setzte den Gottesanbeterinnen
viel zu stark zu. Im Handumdrehen waren sie keine wirkliche Bedrohung mehr.
    Lara dachte kurz an die mechanischen Diener Ruben Goldsteins
in Tschechien. Tom hatte einen von ihnen mit der Erde aus einem zerbrochenen
Blumentopf außer Gefecht gesetzt.
    Hier funktionierte es genauso.
    Als schließlich weitere
Insekten aus den Gängen nachdrängten, wurden erneut Laras Sandbomben geworfen und
bald war der Boden übersäht mit bewegungsunfähigen und zerstörten Tieren. Lara
erschauderte – in ihrem Herzen stritten sich die Liebe und Faszination für
feine und präzise Mechanik mit dem Hass, den sie für

Weitere Kostenlose Bücher