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Epicordia

Epicordia

Titel: Epicordia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
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versammelt hatten. Lara hatte
Gesichter aus vielen Familien wiedererkannt, an deren Haustüren sie abgewimmelt
worden war. Natürlich durfte Fernando Bastiani nicht fehlen, der – obwohl Lara
es beinahe nicht glauben wollte – seinen Sohn Francesco tatsächlich mit einer väterlichen Umarmung begrüßte.
Den Alten Herrn zu mobilisieren, zog
offensichtlich eine gewisse Hochachtung nach sich. Geneva hatte ihr immer
wieder die Familiennamen der Neuankömmlinge
zugeraunt. Pucetti, Capri, Monelli, Carrara und natürlich die Nellos.
Doch auch abseits der italienischen Linien, wie sie sich nannten, gab es eine Menge interessanter Namen. Petric, Ivanov,
Tressel, Abari, Battjani und noch einige mehr. Lara hatte für sich nicht
die geringste Chance gesehen, sich auch nur einen kleinen Teil der Namen zu
merken. Die Nachricht von der Anwesenheit des Alten Herrn hatte sich unter ihnen verbreitet wie ein Lauffeuer auf trockenem Stroh und die
allgegenwärtige Ehrfurcht stand ihnen ins Gesicht geschrieben.
    Piorino hatte ihnen eine flammende Rede
entgegengeworfen, in der er vornehmlich an den Stolz und an die Ehre der Clans
appelliert hatte. Seine Empörung darüber, sich eine Besetzung der Tiefsten
Tunnel gefallen zu lassen und die Clanstreitigkeiten
der Familien darüber zu stellen, hatten ihn vor Wut nahezu schäumen lassen, bis
Lara befürchtet hatte, der kleine, alte Mann würde in den nächsten Minuten
einen Herztod erleiden. Doch der Kollaps das Alten
Herrn war ausgeblieben.
    Beinahe hatte Lara damit gerechnet, dass das Mondvolk
sich in den nächsten Stunden vollständig sammeln würde, um zu Hunderten über
die Gottesanbeterinnen in den Tiefen herzufallen.
    Doch es kam anders. Natürlich. Denn Piorino stellte es
ihnen frei, sich Lord Hester und seinen Begleitern aus Ravinia anzuschließen.
Und die Begeisterung für ihre Sache hielt sich in Grenzen, trotz des
wutschnaubenden Alten Herrn .
    Am Ende hatten sich etwa zwei Dutzend Angehörige
verschiedener Familien bereit erklärt, ihre Fehden untereinander ruhen zu lassen und die Tiefsten Tunnel von ihrer
aller Schande zu säubern – natürlich nicht ohne die Vorankündigung,
danach in ihre alten Muster zurückzuverfallen.
    Später dann hatte allgemeiner Trubel geherrscht,
ausgelöst durch die Vorbereitungen. Lara, Patrick und Geneva hatten aus
Stoffresten Hunderte kleiner Sandbomben gebastelt,
wie sie sie nannten. Kleine Säckchen, gefüllt mit feinem Sand, der eigentlich
zum Bau eines Gartenhäuschens neben der Villa Bastiani hergeschafft worden war.
Bevor es losging, hatten sie diese improvisierten Todbringer für die
mechanischen Tiere unter dem eigenartigen Mob verteilt, der sie in die Tiefsten
Tunnel begleiten sollte. Lara und Patrick waren von Francesco mit alten
Baseballschlägern ausgestattet worden, doch war ihnen von Geneva befohlen worden, sich so lange es irgendwie ging
im Hintergrund zu halten.
    Dann waren sie losgezogen
– und Lara fühlte sich wie in einem lächerlichen Bauernaufstand gefangen,
während sie sich umschaute. Die meisten Familienmitglieder trugen Florette oder Rapiere, die sie von ihren Dachböden oder von wo auch immer geholt hatten. Schusswaffen waren selten.
Eine Tatsache, die allerdings eher beruhigend auf Lara wirkte, denn sie
hatte viel zu viel Sorge vor Querschlägern, da sie ja gegen Gottesanbeterinnen
aus Metall kämpften.
    Hand in Hand mit Patrick
war sie dem Zug am Ende gefolgt, Milan Petric hatte sie überholt und
gezwinkert. Kampfeslustig.
    Jetzt standen sie hier und warteten darauf, dass es
losging. Lara konnte nur beten, dass die Clans an diesem Tage einen Teil ihres
Hasses aufeinander loswurden. Sie schluckte, blickte vor sich in den Tunnel, in
dem sich mindestens drei Handvoll der ekligen Gottesanbeterinnen tummelten. Ein
leises Wummern war zu hören, kaum vom schnellen Pochen des eigenen Herzens zu unterscheiden.
Nur der Rhythmus war leicht verschoben und verriet es. Lara wusste nicht, wo es
herkam. Sie wischte sich mit dem Ärmel über die Stirn, auf der sich ein dünner
Schweißfilm gebildet hatte. Sie fokussierte ihre Konzentration auf das, was vor
ihr lag.
    Patrick drückte ihre Hand.

    Adrenalin.
    In manchen Momenten
rauscht das Leben förmlich an einem vorbei. Es ist als
würde sich alles um einen herum in Zeitlupe abspielen, und dennoch könnte man
die unendlichen Eindrücke am Ende bloß in
wenigen

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