Epicordia
wäre
stattdessen eine hervorragende Idee gewesen. Sie schwor sich, genau das lange und ausführlich zu tun, sobald sie nur die
Gelegenheit dazu bekäme.
Doch der Vormittag war lang und eigentlich auch
recht öde.
Lara und Geneva waren zusammengeblieben. Ebenso Tom
und Francesco, denen sie jedoch erheblich mehr Chancen auf Erfolg zutrauten als
sich selbst. Immerhin gehörte Francesco selbst zum Mondvolk. Um die schöne Myra
Jones machten sie sich indessen gar keine Sorgen. Sie als ausgebildete
Schnüfflerin würde schon wissen, wo sie ihre Nase hineinzustecken hatte und wo
nicht.
Und so ergaben sich die Nachtwächterin und die junge
Schlüsselmacherin ihrem Schicksal.
Sie gingen eine Reihe von
Haustüren ab. Doch obwohl beide eine gute Erziehung genossen hatten und
wussten, wie man sich höflich benahm, ohne gleich wie ein nerviger Vertreter zu
wirken, waren ihre Bemühungen völlig ernüchternd.
Dort, wo man sie nicht
gleich an der Türschwelle abwimmelte, gab ihnen spätestens im Hausflur
irgendein Familienmitglied zu verstehen, dass sie als Oberweltler hier nun
absolut nichts verloren hatten.
Wäre dies ein Nest in irgendeiner europäischen Provinz
gewesen, die für ihre Unfreundlichkeit bekannt war â ja, dann hätte Lara
vielleicht darüber hinwegsehen können, andauernd abgewiesen zu werden. Aber das
war sie nicht. Im Gegenteil: Elo war nach auÃen für nichts bekannt, weil es ja
auch eigentlich niemand kannte. Und so war es einfach frustrierend. In höchstem
MaÃe.
Sie kam sich vor, als
schwömme sie in einem Strom aus verschwendeter Zeit. Stattdessen hätte sie an
ihrer Werkbank sitzen und sich neue Konzepte für einzigartige Schlüssel
einfallen lassen können. Sie hätte weiter an den Plänen für ihr Gesellenstück
feilen können.
Aber nein, stattdessen lieà sie sich in einer
unfreundlichen Unterwelt von skeptischen bis garstigen Bewohnern mit Floskeln
abspeisen.
SchlieÃlich fiel Lara bei Patrick auf die
durchgesessene Couch. Bob Dylan gab im Hintergrund seine brillante Lyrik zum
Besten, obwohl er doch niemals ein besonderes Gesangstalent besessen hatte.
»Schlafen«, murmelte sie, lieà sich zur Seite plumpsen
und blieb regungslos liegen.
»Ist sie keine Nachtschwärmerin?«, fragte Patrick
Geneva. Er hatte leicht reden, denn schlieÃlich hatte er beinahe bis jetzt
geschlafen.
Geneva schüttelte nur den Kopf.
»Sie ist bloà keine Aufsteherin «,
meinte sie und trank einen Schluck Orangensaft.
Nach und nach trudelten die anderen ein.
Als Lara sich den Schlaf aus den Augen gerieben hatte,
konnte sie die langen Gesichter sehen. Offensichtlich waren auch ihre
Erkundigungen nicht von übermäÃigem Erfolg gekrönt gewesen.
Die Musik aus Patricks Gettoblaster war mittlerweile
auf Eric Clapton umgeschwenkt.
Etwas hilflos sah sie sich nach Kaffee um, entdeckte
aber nur eine angebrochene Colaflasche und griff danach.
»Die würde ich nicht mehr trinken«, sagte Patrick
schnell und nahm ihr die Cola weg. Kurz überlegte Lara, wie viel Kraft sie wohl
besaÃ, um Protest einzulegen. Besser als das Koffein jedoch war der sanfte
Griff, mit dem Patrick ihr Handgelenk ergriffen hatte. Flüchtig zwar, aber es
hatte ausgereicht, um einen Eindruck auf ihrer Haut zu hinterlassen. Seine
Handflächen waren erstaunlich rau für einen Schriftsteller. Zumindest war Lara
immer davon ausgegangen, dass Menschen dieses Berufs eher zartere Haut an den
Fingern hätten.
Myra Jones zickte Tom an â zumindest wirkte es so auf
Lara. Es ging darum, dass er scheinbar nicht hartnäckig genug nachgehakt hatte,
um an Informationen zu gelangen. Tom selbst sagte nicht viel dazu. Was auch?
Geneva war es, die ihn in Schutz nahm. SchlieÃlich sei er verletzt und ohnehin
kein groÃer Redner und was sich die Kommissare von Ravinia wohl dabei denken
mochten, wenn sie andere für ihre eigene Arbeit
einspannten. Es geschehe viel zu häufig, dass sie in einen Fall
verwickelt würde, bei dem sie nur zum Schutz der Beteiligten anwesend sein
sollte und schlieÃlich doch mitten in den Ermittlungen stecke. Die rothaarige
Kommissarin konterte damit, dass sie ja wohl alle freiwillig mitgegangen seien.
So gifteten sie sich eine Weile lang an, während Tom
unbeteiligt dabei stand. Wieder war aus seinem Gesicht nichts zu lesen, jedoch
ahnte Lara, wie sehr ihn alles nervte.
Patrick hingegen
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