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Epicordia

Epicordia

Titel: Epicordia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
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hatte sich um sie herum aufgetan. Die Häuser
wirkten ein wenig wie ineinandergestapelte Kartons, waren allesamt in
abblätternden Beige- oder Ockertönen verputzt und besaßen bunte Fensterläden.
    Lara legte den Kopf in den Nacken und blickte in den
strahlend blauen Himmel zwischen den hellroten Dachschindeln. Sie sog das
pulsierende Leben um sich herum mit jedem Atemzug ein und merkte erst in diesem
Moment, wie sehr sie Städte doch vermissen konnte.
    Â»Wo sind wir?«, erkundigte Patrick sich. »Italien?«
    Â»Frankreich«, korrigierte Tom ihn. »Saint Tropez, um
genau zu sein.«
    Lara senkte den Blick wieder, um Toms zu suchen.
    Â»Aber wieso Saint Tropez? Ich dachte, wir suchen Mama
Zamora.«
    Â»Das tun wir auch«, bestätigte Tom ihr, während er die
Ärmel seines Pullovers hochkrempelte. »Aber zuerst muss ich noch jemanden
treffen. Und ich denke, du könntest auch Interesse an dieser Begegnung haben.«
    Â»So? Und wer soll das sein?«
    Â»Alisha Folders«, sagte Tom seelenruhig, steckte die
Hände in die Hosentaschen und schlenderte die Straße hinunter. Patrick nahm
Lara bei der Hand und zog sie mit sich, sonst wäre Tom seiner staunenden
Schülerin womöglich davongelaufen.
    Alisha Folders.
    Den Namen kannte sie aus den Aufzeichnungen ihrer
Mutter. Layla hatte bei ihr gelernt. Seltsam, dass sich nach all der Zeit doch
immer noch wieder das ein oder andere Türchen in die Vergangenheit zu öffnen
schien.
    Sie überlegte eine Sekunde lang ob sie es Tom übel
nehmen sollte, ihr nichts davon erzählt zu haben – doch sie besann sich eines
Besseren. Sie hatte selbst kaum je einen Gedanken daran verschwendet, dass es
Alisha Folders womöglich dort draußen irgendwo geben mochte. Sie hatte Tom
einfach nie gefragt.
    Stattdessen genoss sie es, sich von Patrick Davenport
durch die sommerlichen Straßen von Saint Tropez ziehen zu lassen. Vor ihnen
schritt Tom durch die Menschenmengen, als wären sie bloß Luft – wie er das
machte, hatte er ihr einst erklärt, doch war Lara zu fasziniert von den
Menschen, um ihren Blicken nicht begegnen zu können.
    Hinter der nächsten ockerfarbenen Straßenecke
erreichten sie den Hafen. Der Anblick, der sich Lara bot, war ein wenig
skurril. Hinter ihnen ragten die ineinander verwinkelten und verschachtelten
Häuser mit ihren roten Dächern auf, während sich vor ihnen die Bucht von Saint
Tropez erstreckte, die sich ihrerseits am Horizont an andere Häfen und grüne
Hügel schmiegte. Nicht dass der Hafen alleine nicht schon voll von Schiffen
gewesen wäre – nein, darüber hinaus bevölkerten Hunderte oder Tausende von
weißen Yachten die Bucht. Sie wirkten wie weiße Flocken in den tiefblauen
Wassern der Côte d’Azur, groß oder klein, einfach oder luxuriös übertrieben.
    Es roch nach Salz und Sonne. Und es roch nach Meer,
wie in Edinburgh an guten Tagen.
    Touristen säumten den
Hafenplatz in rauen Mengen, während Tom zielstrebig eine Ansammlung
französischer Taxis ansteuerte. Der Taxistand machte den Eindruck, als wäre er
ursprünglich für wesentlich mehr Fahrzeuge gedacht gewesen. Doch schienen die
Ströme von Urlaubern die hiesigen Taxifahrer gut zu beschäftigen, sodass nur
vier Taxis mit heruntergelassenen Scheiben warteten. Ihre Fahrer waren
teilweise ausgestiegen und hielten ein kleines Schwätzchen in der herrlich
warmen Sonne, die ihren Zenit noch nicht überschritten hatte.
    Tom ging auf einen von ihnen zu und sprach ihn an.
Sein Französisch war nicht perfekt, aber um Längen besser als Laras.
    Â»Du kannst mich jetzt loslassen«, sagte sie zu
Patrick, da sie nun nicht mehr durch die Straßen hetzten, sondern Tom bei
seinen Verhandlungen mit dem Taxifahrer beobachteten.
    Â»Oh«, entschuldigte Patrick sich. Innerlich verfluchte
Lara sich, weil die Berührung seiner Hand im Grunde genommen ziemlich angenehm
gewesen war.
    Tom winkte die beiden zu sich heran und der
französische Taxifahrer begrüßte sie freundlich. Er war jung, kaum älter als
Patrick, trug ebenso wie dieser ein Leinenhemd mit hochgekrempelten Ärmeln und
hatte ein gewinnendes Lächeln voll weißer Zähne. Auf Lara wirkte es ein wenig
zu gewinnend.
    Tom gab ihm einige Euros und sie stiegen ein. Patrick
hielt ihr die Tür auf, um sich dann neben ihr auf den abgewetzten Bezug der
Rückbank zu setzen. Als Tom die

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