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Epicordia

Epicordia

Titel: Epicordia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
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widersetzt. Sie haben ihn bekämpft.«
    Lara rückte ihren Kopf ein wenig ab von ihm, sodass er
sich umdrehen konnte. Der Blick in seinen Augen, verschieden farbig und wild,
war verstörend und beruhigend zugleich.
    Â»Aber wie kann man jemanden wie Roland Winter
bekämpfen?«, frage sie offen überrascht und wand sich aus seinen Armen. »Ich
habe gesehen, was er zu tun vermag. Wie könnte jemand anderes ihn sinnvoll
bekämpfen?«
    Â»Man kann seine Geheimnisse aufdecken.«
    Â»Seine Geheimnisse?«
    Â»Aber ja. Die unglaublichen Dinge, die Winter
angeblich bewirken konnte, kamen doch nicht aus dem Nirgendwo. Er muss mittels
seiner Begabung für alles Schriftstellerische Wege gefunden haben, das alles zu
bewerkstelligen.«
    Â»Und danach haben deine Eltern gesucht?«
    Â»Nicht nur meine.«
    Er sah sie durchdringend an und sie wusste sofort, was
es zu bedeuten hatte.
    Â»Meine auch?«
    Er nickte.
    Â»Dein Vater hat meinem einen unfälschbaren Schlüssel
gegeben, der ihn an einen Ort brachte, an dem er ungestört an Experimenten
schreiben konnte, um Roland Winters Macht zu ergründen.«
    Das war tatsächlich etwas
Neues für sie. Es klang so platt, so einfach, dabei war es nur logisch. Die
alten Meister hatten damals auf eigene Faust gehandelt, um Roland Winter
loszuwerden. Warum sollte nicht auch die Generation nach ihnen etwas
unternommen haben? Doch offenbar waren die Alten schneller gewesen. Wenn die
Jüngeren vielleicht auch einen nachhaltigeren Erfolg erzielt hätten.
    Â»Woher weißt du das?«, fragte sie.
    Â»Mein Vater hat es mir erzählt. Vor einigen Jahren
erst. Als er mich für alt genug hielt.«
    Â»Er hat euch allein großgezogen?«
    Â»Zusammen mit Donald. Und glaub mir, es war nicht
einfach. Für mich nicht und für Christopher sicher auch nicht. Die Luft hier
schmeckt nach Traurigkeit seit dem Tod meiner Mutter. Und egal, was wir all die
Jahre auch dagegen unternommen haben, wie viel wir gelacht haben und wie viele
gute Momente wir miteinander hatten – es hat doch nie ganz gereicht, um diese
seichte Melancholie verwehen zu lassen.«
    Â»Und dann?«
    Â»Dann ist er gestorben«,
bekannte Patrick. »Hirntumor. Völlig unerwartet. Er bekam
Kopfschmerzen, sie wurden schlimmer und wir brachten ihn ins Hospital. Zwei
Wochen später war es vorbei.«
    Traurig. In der Tat. In Laras Kopf spielten sich
Szenen ab, die förmlich in der Luft dieses Hauses zu schmecken waren. Wie die
Davenports sich glücklicher schätzten als die meisten anderen Familien der
Oberstadt, weil sie wussten, dass sie einander hatten.
    Und dann war auf einmal alles vorbei.
    Zurückgeblieben war Donald Mayhew und ein Ort, an den
die beiden Söhne der Davenports nicht gern zurückkehrten. Zwar waren sie
mittlerweile beide zu Männern geworden, doch änderte das ja nichts an einst
gerissenen Wunden, die nur langsam verschorften.
    Eine Weile sahen sie stillschweigend in verschiedene
Ecken des Raumes. Eine flache Bemerkung wie: »Es tut mir leid«, oder derartiges
brachte Lara nicht zustande. Dazu hatte sie selbst zu sehr unter dem Verlust
ihrer Eltern gelitten, obwohl sie sie nicht einmal wirklich kennengelernt
hatte. Doch Floskeln halfen niemandem, drückten lediglich die Hilflosigkeit des
Gegenübers aus.
    Â»Und nun suchst du den Schlüssel, den mein Vater
deinem gegeben hat?«
    Â»Nein«, schüttelte Patrick den Kopf. »Den hatte er
schon längst nicht mehr. Er wollte mir sagen, wer ihn hat. Aber auch das erst,
wenn ich alt genug dafür gewesen wäre. Nur bin ich dummerweise nicht mehr alt
genug dafür geworden.«
    Lara ging nicht darauf ein.
    Â»Und was suchst du nun?«
    Â»Ein Notizbuch.«
    Â»Ein Notizbuch?«
    Â»Ja«, bekräftigte er. »Ich habe selbst angefangen,
einige unkonventionelle Dinge auszuprobieren. Bisher zwar nur mit mittelmäßigem
Erfolg, aber das kann sich ja noch ändern. Wenn dieser Mistkerl Roland Winter
tatsächlich hinter diesen mechanischen Biestern hockt und wartet, bis er stark
genug ist, um möglichst viel Ärger zu machen, dann sollten wir tun, was wir
können.«
    Sie erkannte ein wenig von Tom in ihm. Seltsam, dass
sie die Angewohnheit hatte, sich stets mit den begabtesten jungen Vertretern
der jeweiligen Zünfte von Ravinia zu umgeben.
    Mr Jones ließ seine raue Zunge über ihre Hand fahren.

    Poesie gesellt sich gerne zu

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