Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Epicordia

Epicordia

Titel: Epicordia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
Vom Netzwerk:
könnte dich mit in die erste Reihe nehmen.
Sicherlich rücken die dort zusammen, wenn ich sie darum bitte. Und ansonsten
bekommst du den Platz, der auf meinen Namen reserviert ist. Als sogenanntes Highlight des Abends finde ich bestimmt schnell etwas
anderes für die Zeit bis zu meinem Auftritt.«
    In seiner Stimme schwang eine Menge Selbstironie mit
und Lara konnte sich sofort vorstellen, dass es ganz seinem Wesen entsprach, nicht in der Rabenstadt wohnen zu müssen.
Jemand wie Lapuli spielte solche lächerlichen Spielchen wie die Debatten
darum, wer hier wohnen durfte, nicht mit. Er war jemand, der lieber vorher
seine Figuren vom Brett nahm und allen einen schönen guten Tag wünschte.
    Und alleine schon um die beiden Davenport-Brüder dumm
aussehen zu lassen, ließ sie sich von dem freundlichen Lapuli in die erste
Reihe geleiten, wo sich tatsächlich ein eher bieder aussehender Kerl bereit erklärte,
für die Begleitung des Künstlers einen Stuhl weit aufzurücken.
    Nach einigen freundlichen Worten begann auch schon die
Vorstellung des Abends.
    Ein Poet namens Richard Croft gab mehrere Stücke zum
Besten, quasi als Appetitanreger für die nachfolgende Show. Doch Crofts
Gedichte fanden nicht den Weg in das Herz der Masse. Lara persönlich war er zu
modern. Irgendwo zwischen Avantgarde und Provokation, geschmückt mit vielen
anstößigen Worten und Gedanken.
    Doch gegen Lapulis eigene
Vorstellung kam er ohnehin nicht an. Der Applaus, der ihm höflicherweise
beschieden worden war, als er die Bühne verlassen hatte, war fünf Minuten
später vergessen, als der Marionettenspieler seine Show
darbot. Seine Marionetten waren derart genial konstruiert, dass sie beinahe lebensecht
wirkten. Lara fühlte sich extrem an Pinocchio erinnert, der immer ein echter
Junge hatte sein wollen. Es gab sogar Mechaniken im Holz, die dafür sorgten,
dass die Fadenpuppen ihre Gesichtszüge verändern konnten. Und Lapuli spielte
sie alle auf einmal. Teilweise drei oder vier parallel, mithilfe von komplizierten Bedienelementen, an denen seine Finger in
verschiedenen Schlaufen und Ösen hingen und mit denen er auf diese Weise
mehrere Fäden gleichzeitig an seinen Marionetten bewegte.
    Dazu war es ein raffiniert geschriebenes Stück. Zwar
wurden die Sprechrollen von einer Aufnahme eingespielt, aber dennoch ließen sie
erkennen, wie viele Gedanken sich Lapuli gemacht haben musste, was mit
Marionetten im äußersten Falle alles darstellbar sein konnte. Hier war ein
wahrer Künstler am Werk, jemand, der mit einer Mischung aus Talent, Übung und
Willen etwas schaffte, das anderen verwehrt blieb und sie gerade deshalb in
bloßes Staunen versetzte.
    Etwa eine Stunde lang staunte Lara McLane sich die
Seele aus dem Leib. Ständig musste sie achtgeben, nicht in Lapuli Tinwes Welt
aus gesellschaftskritischen, mit Marionetten gespielten Versatzstücken
hineingesaugt zu werden.
    Schließlich war es vorbei.
So plötzlich, wie es begonnen hatte. Zuerst herrschte im Saal erstickte
Totenstille. Kaum jemand nahm in den ersten Sekunden
richtig zur Kenntnis, dass es vorbei war. Zu verzaubert waren alle von dem, was
sich gerade vor ihren Augen abgespielt hatte. Dann tobte der Saal.
    Nur kurze Zeit später gesellte sich ein fröhlicher
Lapuli wieder an Laras Seite, um den nächsten Akt auf der Bühne gemeinsam mit
ihr zu verfolgen, der aber – völlig egal, was er zu bieten haben würde – auf
keinen Fall mehr vergleichbar sein würde mit dem, was der Marionettenkünstler
gerade geboten hatte.
    Â»Und?«, raunte Lapuli lächelnd zu ihr herüber. »War’s
Okay?«
    Â» Okay? «
    Lara verschluckte sich beinahe.
    Â»Erzähl keinen Quatsch«, meinte sie. »Du warst atemberaubend gut.«
    Â»Krah. In der Tat, in der Tat«, pflichtete Dexter ihr
bei. Es klang weit weniger frech als üblich.
    Â»Gut«, sagte Lapuli bloß und wandte sich ohne weiteren
Kommentar der Bühne zu, auf der bereits umgebaut wurde.
    Â»Was heißt gut ?«, fragte
Lara hinter ihm her.
    Lapuli blickte sie von der Seite an.
    Â» Gut heißt, dass es mir ein
Gefühl von Triumph gibt.«
    Â»Ach, tut es das?«
    Laras Nachfrage klang ein wenig verächtlich. Was
sollte das denn auch? Lapuli war einfach nur auf den Triumph seiner Vorstellung
aus?
    Doch er schüttelte den Kopf.
    Â»Vielleicht ist Triumph das falsche Wort dafür«,
korrigierte

Weitere Kostenlose Bücher