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Epicordia

Epicordia

Titel: Epicordia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
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er sich. »Vielleicht trifft Unabhängigkeit es eher.«
    Lara blickte ihn zunächst verständnislos an. Aber es
dämmerte ihr, noch bevor er mit seiner Erklärung fortfuhr.
    Â»Es macht mich unabhängig von dieser Stadt«, führte er
aus. »Es bestätigt mich darin, dass es mich gibt. Mich als Individuum, das
völlig unabhängig von den Wünschen und Vorstellungen existiert, die hier
vorherrschen – und trotzdem kann ich etwas Einzigartiges.«
    Â»Du fühlst dich gut dabei, weil du siehst, dass das
System Ravinia versagt.«
    Â»Nein«, lächelte er. »Ich fühle mich gut dabei, weil
ich nicht in ein System passen muss, um zu existieren.«
    Weiter redeten sie nicht, denn der dritte und letzte
Künstler des Abends betrat die Bühne. Es war Barker, der alternde
Countrysänger. Lara kannte ihn, Lee hatte sie einander vorgestellt. Die beiden
verband eine Art lose Freundschaft und sie musizierten von Zeit zu Zeit
miteinander. Dabei begleitete Lee Barker häufig auf seiner alten Mundharmonika,
die er einst von seinem Vater geerbt hatte. Doch heute Abend nicht. Barker war
allein mit seinen Cash-Songs – und wirkte dabei beinahe wie eine Art
Rausschmeißer zum Schluss
    Und nachdem es mit Lapuli nichts weiter zu bereden
gab, lehnte sich Lara zurück und genoss den Zauber, den die rauchige Stimme
Barkers über die Zuschauer legte – oder zumindest über diejenigen, die es
zuließen.
    Einsicht war immer eine gute Basis für
Freundschaft – und manchmal auch für mehr.
    Patrick stand am Rahmen eines Durchgangs in Richtung
Außentür gelehnt. Er hatte die Hände in den Hosentaschen und schielte durch
seine verwuschelten Haare hindurch in Laras Richtung. Fordernd blickte sie in
seine verschiedenfarbigen Augen, doch sie wichen ihr nicht aus.
    Â»Es tut mir leid«, sagte er tonlos. »Das war dumm und
kindisch von uns. Keiner hat einen Schlüssel und keiner weiß, wo einer sein
könnte. Wir sind Idioten, weil wir es nicht lassen können, uns von unseren
Gefühlen übermannen zu lassen.«
    Lara schenkte ihm das wärmste Lächeln, das sie auf
Lager hatte.
    Â»Keine Idioten«, lenkte sie ein. »Nur Geschwister.«
    Daraufhin hakte sie sich bei ihm ein und gemeinsam
verließen sie die Stadthalle von Ravinia. Im Umdrehen sah sie, wie Lapuli ihr
durch die Menge hinweg zuzwinkerte.

    Draußen war es tiefe schwarze Nacht
geworden. Der wirre Sternenhimmel über Ravinia schien die Stadt wie ein Tuch zu
bedecken.
    Doch das Leben wurde gerne zum Verräter. Besonders
dann, wenn es sich gerade erst wieder wohlig weich angebiedert hatte, nur um
einen schönen Moment wie eine Seifenblase zerplatzen zu lassen.
    Lara folgte den neugierigen Blicken einiger Passanten.
Im Süden flackerte es rötlich durch die Straßen. Beim Rondell? Doch das
Sommerfest und das große Feuer mussten in den vergangenen Tagen stattgefunden
haben, während sie in Epicordia umhergeirrt waren.
    Schlagartig fiel ihr die Rauchsäule auf, die von unten
her feurig beschienen wurde.
    Â»Das Rondell«, rief sie entsetzt aus, als ihr
urplötzlich klar wurde, was dies bedeuten musste. »Es brennt im Rondell!«
    Sie wollte ihren untergehakten Arm von Patrick lösen,
doch der hielt sie fest. Und so rannten sie Arm in Arm in die verwinkelten
Gassen der Stadt hinein, bangend, hoffend und mit einem Wunsch auf den Lippen.
    Ãœber ihnen glitt laut krächzend der schwarze Rabe
Dexter durch den Nachthimmel.

9. Kapitel, das einige lodernde Enthüllungen bereithält.
    Sind wir am Ende im Rückstand gegenüber der Moral
der Geschichte?
    Â Jochen Distelmeyer
    Wie schnell die Welt, in der wir wandeln,
doch Feuer fangen kann – wie trockenes Laub. Egal ob durch Strohfeuer, Hass
oder durch Begeisterung.
    Alles um Lara herum verwandelte sich in ein
rauschendes Fauchen, sobald sie das Rondell erreichten.
    Schon auf ihrem stürmischen
Weg dorthin war das Flackern des Feuerscheins immer
bedrohlicher geworden.
    Â»Feuer!«, hatte Dexter schließlich über ihnen
gekrächzt. Immer wieder.
    Â»Feuer.«
    Dann war er abgedreht – und Lara war sich sicher, dass
der Rabe Hilfe holte.
    Das Ausmaß der Katastrophe
jedoch wurde ihnen erst bewusst, als sie den runden Platz sahen. Bestimmt ein
Drittel der Häuser, die direkt am Rondell lagen, standen mehr oder minder
lichterloh in Flammen. Überall liefen Leute schreiend

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