Epsilon
weit entfernt, und da war nichts, was einen Sturz abbremsen würde. Er begann hin und her zu schwingen, erst langsam, dann immer schneller.
Er wusste nicht, woher er schließlich den letzten nötigen Schwung bekam: vielleicht vom Wind? So kam es ihm jedenfalls vor. Doch wo immer er auch herkommen mochte, er brachte ihn die entscheidenden Zentimeter weiter. Allerdings verfehlte er selbst da noch sein Ziel mit der linken Hand, nur seine rechte packte eisern zu.
Als Charlie wieder in einer stabilen Lage war, begann er seinen nächsten Sprung zu berechnen – und sich zu fragen, ob das Ganze überhaupt funktionieren konnte. Die Entfernung zu den Bäumen auf dem Gelände war auf jeden Fall größer, als es von seinem Beobachtungsposten aus ausgesehen hatte. Ein solcher Sprung konnte keinem Menschen gelingen.
Charlie hangelte sich ein Stück nach links und spähte erneut in die Schatten. Hier standen die Chancen besser, doch er sah sich weiterhin um.
Sehr bald schon hatte er eine Stelle gefunden, von der aus zu springen noch immer schwierig war, aber es war einen Versuch wert. Er musste über den Zaun und in das Geäst eines der Bäume nach unten springen. Die größte Gefahr bestand darin, dass der Ast, an den er sich klammern wollte, sein Gewicht möglicherweise nicht tragen und mit einem lauten Knacken brechen würde. Nun, Charlie konnte es nur herausfinden, wenn er es probierte.
Der Ast begann tatsächlich wie befürchtet nachzugeben. Doch kurz bevor er brach, ließ Charlie los. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Ast jedoch Charlies größten Schwung bereits gebremst, und so landete er nun auf allen vieren auf dem Boden, und nur das Rascheln einiger Blätter über ihm verriet seinen Sturz: nicht mehr, als wäre eine Windböe durch die Zweige gegangen oder ein Vogel davongeflogen.
Charlie blieb in der Hocke und sah sich um. Dann blickte er auf die Uhr. Er wartete auf zweierlei: erstens auf Anzeichen dafür, dass er entdeckt worden war. jede Vorrichtung, die dazu installiert worden war, Eindringlinge aufzuspüren, die durch die Luft und über den Zaun flogen, würde Charlie erfasst haben, das war sicher. Dann würde es hier gleich vor Wachen und Hunden wimmeln, die auf der Suche nach ihm waren, und in einem solchen Fall wollte Charlie lieber in der Nähe des Zauns sein.
Und zweitens wartete er darauf, dass der Streifenwagen auf seiner Runde wieder hier vorbeikam. Danach hätte er mindestens siebzehn, höchstens dreißig Minuten Zeit, bevor sie wieder an dieser Stelle auftauchten.
Als die Sekunden sich zu Minuten dehnten, wusste Charlie, dass seine Einschätzung richtig gewesen war. Das Gelände war so sicher, wie man es machen konnte, ohne unwillkommene Aufmerksamkeit zu erregen, was bedeutete, dass es Lücken im System gab. Charlie war gerade durch eine Lücke geschlüpft, nun würde er die nächste finden müssen.
Er hörte, wie sich der Streifenwagen näherte, dann sah er dessen abgeblendete Scheinwerfer. Während die Dunkelheit sich zunehmend auf das Gelände senkte, gingen hier und da weitere Lichter an. Charlie schätzte, dass die meisten Angestellten bereits nach Hause gegangen waren, einige aber wohl noch länger arbeiteten. Es konnte sich jedoch auch um Leute handeln, die auf dem Gelände wohnten.
Als die Rücklichter des Streifenwagens um die nächste Ecke verschwunden waren, setzte Charlie sich in Bewegung. Er ging in Richtung des Garagentors, hinter dem Frys Transporter aufgetaucht war. Dort angekommen, hörte er das Surren eines Elektromotors, das immer näher kam. Dann das Geräusch einer hydraulischen Bremse, gefolgt von einem höheren, schnelleren Surren – und das Tor, das sich für Fry geöffnet hatte, schwang erneut nach oben unter die Decke.
Charlie presste sich dicht an die Mauer neben der Garage. Ein Frontlader rollte heraus, einen kleinen Anhänger im Schlepptau. Die Fracht darauf konnte Charlie zuerst nicht sehen. Dann fiel, während das Tor sich wieder schloss, ein Lichtstrahl auf die Ladefläche, und Charlie erkannte eines seiner Gemälde. Es handelte sich wohl ausnahmslos um seine letzten Werke, wie er schnell feststellte: Frys Wagenladung.
Charlie lief geduckt entlang der Einfahrt und folgte dem Frontlader, bis er nahe genug heran war. Dann sprang er auf den Anhänger. Der Mann hinter dem Lenkrad spürte nur einen leichten, dumpfen Schlag, als wäre er mit einem der Hinterräder über einen Stein gefahren.
28
Charlie hatte sich so klein gemacht, dass ihn – zumindest bei einem
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