Epsilon
ihm, Charlie, einen verschwörerischen Blick zugeworfen und der Person am anderen Ende der Leitung weisgemacht, dass Charlie bis auf weiteres nicht gestört werden dürfe. Für eine Zeit, die ihm wie eine Ewigkeit und doch viel zu kurz erschien, hatten sie eng umschlungen da gelegen. Seitdem waren sie immer zusammen gewesen: Susan, Charlie, Christopher und Buzz. Und das Baby, das sie hoffentlich zusammen haben würden, wenn die Tests ergaben, dass alles in Ordnung war.
»Charlie – du bist noch nicht einmal aus dem Bett!«
Susan kam aus dem Bad ins Zimmer. Sie hatte sich nur einen leichten Bademantel umgelegt und ihr Haar zurückgekämmt, wie sie es seit kurzem manchmal abends trug. Sie setzte sich auf die Bettkante, nahm sein Gesicht in beide Hände und sah ihn an.
»Was ist los, Liebling?«, fragte sie. »Bist du inzwischen so reich und berühmt, dass du glaubst, du kannst dir jede Verspätung erlauben?«
»Ich bin in fünf Minuten fertig. Ich bin bloß eingeschlafen und hatte wieder diesen Traum.«
»Welchen Traum?«
»Du weißt schon – der Traum, in dem ich glaube, Brian Kay zu sein. Ich liege dann in diesem Krankenhauszimmer, und du bist meine Ärztin. Und dann kommt diese Frau herein, die angeblich meine Frau ist, obwohl ich sie niemals zuvor gesehen habe. Und plötzlich sage ich dann: ›Dorothy!‹«
Susan runzelte verwirrt die Stirn. »Du hast mir nie zuvor von diesem Traum erzählt.«
Charlie starrte sie ungläubig an. »Was sagst du da? Natürlich habe ich dir davon erzählt. Ich habe den Traum jetzt schon seit sechs Monaten.«
Sie zog ihre Hände zurück und rückte ein wenig von ihm ab. Ein ernster, wenn nicht sogar besorgter Ausdruck lag auf ihrem Gesicht.
»Charlie«, sagte sie, »du hast mir noch nie von diesem Traum erzählt – und soweit ich mich erinnere, habe ich dir auch nie von Brian Kay erzählt. Und ich bin mir auf jeden Fall sicher, dass ich dir gegenüber niemals den Namen seiner Frau erwähnt habe.«
Charlie starrte sie eine ganze Zeit lang an, bevor er etwas erwiderte, und suchte in ihrer Miene nach einer Erklärung dafür, was hier vor sich ging.
»Du machst Scherze, nicht wahr?«
Sie antwortete nicht, und er wartete darauf, dass sich ihr merkwürdiger Gesichtsausdruck in ein Lächeln auflöste, dass sie in Lachen ausbrach und ihm gestand, ihn bloß zum Narren zu halten.
Warum beugte sie sich nicht zu ihm hinunter und küsste ihn auf die Lippen? So sollte ein Abenteuer doch eigentlich enden.
Oder?
ANMERKUNG DES AUTORS
Während ich recherchierte, ob es tatsächlich möglich wäre, eine Kreatur wie Charlie Monk zu erschaffen, sprach ich mit mehreren Genforschern und war überrascht über die Gelassenheit, mit der sie meine Prämissen akzeptierten. »Wir sind noch nicht ganz so weit«, war der allgemeine Tenor ihrer Antworten, »aber legen Sie nur los, und erzählen Sie Ihre Geschichte. Die Realität wird Sie schon schnell genug einholen.«
Am 21. Februar 1999 weissagte die Sunday Times in ihrer Chronicle-of-the-Future-Serie anlässlich des bevorstehenden neuen Millenniums, dass der erste Mensch-Schimpanse-Hybride im Jahre 2012 in einem Labor erschaffen werden würde. Die befragten Experten meinten: »Dazu brauchen Sie nur die Gensequenz eines menschlichen Embryos mit einem Schimpansenembryo zu kreuzen und diese Kombination in die Gebärmutter eines Schimpansenweibchens zu verpflanzen.«
Ob wir so lange warten müssen, wird sich erweisen, aber ein Film oder ein Theaterstück, das ich vor Jahren gesehen habe, will mir einfach nicht aus dem Kopf gehen. Zu Beginn wurde dem Publikum Ort und Zeit der Handlung mitgeteilt. Die Zeitangabe lautete einfach: »Früher, als ihr glaubt.«
Zum Thema virtuelle Realitäten erhielt ich von den Experten, die ich befragte, ähnliche Reaktionen. Obwohl, soweit ich weiß, noch niemand in der Lage ist, all das zu tun, was ich in meinem Roman beschreibe, beschleunigt sich der Fortschritt täglich, und es ist uns möglich, diese Zukunft zu erreichen. In seinem Buch Die Physik der Welterkenntnis sagt der Oxforder Physiker David Deutsch: »Wir Realisten vertreten die These, dass es dort draußen, außerhalb von uns, eine Realität gibt: objektiv, physikalisch und unabhängig von dem, was wir über sie zu wissen glauben. Wir können diese Realität jedoch nie unmittelbar erfahren. Jede noch so kleine von außen kommende Erfahrung ist virtuelle Realität. Und jedes noch so kleine Stück Wissen einschließlich unseres Wissens über die
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