ePub: Der letzte Zauberlehrling
wollte. Sollte ich das ausschlagen, nur weil er und seine Begleiterin mir merkwürdig vorkamen?
Ich gab mir einen Ruck und folgte dem Mädchen die Stufen empor und durch eine niedrige Tür in einen dunklen Raum. Ich hörte den Alten irgendwo herumstolpern, dann ging in einer Ecke ein Licht an. Prometheus stand neben einer Treppe, die in den ersten Stock führte. Ohne auf uns zu achten, kletterte er sie ächzend nach oben. Das Mädchen winkte mich zu einer Tür, hinter der ein schmaler, fensterloser Raum lag, den ich für eine Vorratskammer gehalten hätte, wenn nicht eine abgewetzte Matratze mit einer Wolldecke darauf auf dem Boden gelegen hätte.
Die Kleine forderte mich mit einer Handbewegung auf einzutreten. Ich quetschte mich in den winzigen Raum. Sofort schloss sie die Tür hinter mir und ich stand im Dunkeln. Zum Protestieren war es jetzt zu spät. Also ließ ich mich auf dieMatratze sinken, holte Horatio aus meiner Tasche und schüttete ihm eine Handvoll Körner auf den Boden. Dann streckte ich mich so weit wie möglich aus und zog mir die Decke über.
Eine Weile hörte ich die anderen noch im Haus herumrumoren, dann wurde es still. Ich war zu erschöpft, um mir noch groß Gedanken über mein Schicksal zu machen. Dafür war morgen auch noch Zeit.
Ich hatte kaum die Augen geschlossen, als ich auch schon einschlief.
***
Schon nach wenigen Minuten wurde ich wieder aus meinem Schlaf gerissen. Zumindest kam es mir so vor, denn ich fühlte mich noch genauso erschlagen wie beim Zubettgehen. Ich hatte mich gerade aufgerichtet, als die Tür zu meiner Kammer geöffnet wurde. Die plötzliche Helligkeit blendete mich einen Moment, und ich musste mir erst die Augen reiben, bevor ich erkannte, wer da im Türrahmen stand. Es war Prometheus.
Er starrte mich eine Minute wortlos an. »Humbert«, sagte er schließlich. »Du bist Humbert, der ehemalige Lehrling von Gordius.«
Ich nickte. Es war erstaunlich, dass er sich daran noch erinnerte, so voll wie er gestern gewesen war. Zugleich wurde mir deutlich, dass ich nicht den Fehler machen durfte, den Alten zu unterschätzen. Selbst im stockbetrunkenen Zustand war in seinen Augen noch etwas aufgeblitzt, was man nur als äußerste Klarheit bezeichnen konnte.
»Auf, auf, Bursche!«, befahl er. »Oder willst du den ganzen Tag verschlafen?« Ohne ein weiteres Wort drehte er sich umund schlurfte davon. Ich rieb mir den letzten Schlaf aus den Augen. Horatio lag neben der Matratze auf den Resten seiner Körner und hob müde den Kopf. Ich ließ ihn in meine Tasche gleiten, rappelte mich auf und folgte Prometheus. Als ich meine Schlafkammer verließ, hatte der Alte bereits den großen Tisch in der Mitte des Raums erreicht und ließ sich mit einem lauten Ächzen auf einen Stuhl sinken.
In der Luft lag der Duft von Kaffee. In einer Ecke stand das Mädchen an einem altertümlichen Herd und zog soeben eine Platte mit frisch gebackenen Croissants aus dem Backofen. Ohne ihre Arbeit zu unterbrechen, deutete sie mit ihrer Hand auf eine Tür neben dem Küchenbereich. Dahinter fand ich einen kleinen Waschraum mit Toilette.
Erfrischt und deutlich wacher als zuvor kehrte ich zu den anderen zurück. Jetzt nahm ich auch zum ersten Mal bewusst die Einzelheiten des Raums wahr, der offenbar zugleich als Küche, Wohnzimmer und Labor diente. Darauf wiesen jedenfalls einige Regale an einer Wand hin, in denen die typischen Gläser und Fläschchen mit Zauberzutaten standen, die ich auch von Gordius kannte. Davor war eine Platte mit einer Modelleisenbahnanlage aufgebaut, was mir ein wenig merkwürdig vorkam. Das passte so gar nicht zu dem Bild, das ich bislang von Prometheus gewonnen hatte. Aber natürlich wusste ich ja noch fast gar nichts über ihn.
In der Mitte des Zimmers ragte eine Säule auf, an deren einen Seite sich ein verrußter gusseiserner Ofen befand. Dahinter glaubte ich etwas Pelziges zu erkennen, das ich aber nicht genau identifizieren konnte. Es schien mir ein alter Mantel oder etwas Ähnliches zu sein.
Ich ging zum Tisch und setzte mich gegenüber von Prometheus hin. Das Mädchen stellte ihm gerade eine große Schale mit Kaffee und ein Croissant hin. Er riss einen Zipfel davon ab und tunkte ihn in die Flüssigkeit, bevor er sich den Bissen in den Mund schob. Genüsslich kaute er darauf herum. Das gab mir die Gelegenheit, ihn genauer zu betrachten. Sein langes weißes Haar war immer noch zerzaust, und auch sein Bart sah nicht viel besser aus als letzte Nacht. Er war an einigen
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