ePub: Drachenhaut (German Edition)
wirklich deine Großmutter?« Lilya rettete sich in ein unverfängliches Thema, das sie von ihren verwirrenden Gefühlen ablenkte.
»Umma?« Yani grinste. »Ich weiß es nicht. Frag Yuften, wenn du ihn das nächste Mal siehst. Alle hier im Basar nennen sie so. Sie ist ziemlich alt.«
Lilya lachte. »Ziemlich alt«, zog sie ihn auf. »Yani, dafür, dass du der Anführer einer mordlustigen Rebellentruppe bist, kannst du ganz schön kindisch sein.«
Sie gaben sich kleine Klapse und Knüffe und kicherten wie Kinder. Dann wurde Lilya ernst. Sie legte die Hände auf die Knie und erklärte: »Ich gehe morgen noch einmal zurück.«
»In das Serail?« Yani war verblüfft.
»Nein, zum Haus meines ... zu Kobads Haus.« Lilya erwiderte seinen Blick und lächelte schwach. »Da ist noch jemand, der glaubt, dass ich tot bin, oder was auch immer sie ihr erzählt haben mögen. Sie ist bestimmt traurig, und das möchte ich nicht.«
»Ajja«, murmelte Yani und nickte zweifelnd. »Es ist gefährlich, Lilya. Wenn dich jemand sieht ‒ wenn der Beg dich sieht!«
Lilya hob die Hände und lachte. »Ich habe keine Drachenhaut mehr ‒ was soll er von mir wollen?«
Yani schüttelte den Kopf und beharrte: »Es ist zu gefährlich. Schreib ihr einen Brief.«
»Sie kann nicht lesen.« Lilya verschränkte die Arme. »Außerdem will ich sie mit mir nehmen. Sie soll bei meiner Familie ein Leben in Ehre führen. Nicht mehr als Sklavin, sondern als Freie!«
»Hm«, machte Yani skeptisch. »Na gut, wenn du es dir so in den Kopf gesetzt hast, begleite ich dich morgen dorthin.« Er hob die Hand. »Keine Widerrede! Ich lasse dich nicht alleine gehen!«
Natürlich ging sie am nächsten Tag gegen Abend nicht allein durch Mohors Straßen. Sie hatte sich noch gesträubt, hatte ein wütendes Verbot ausgesprochen, hatte damit gedroht, nie wieder ein Wort an denjenigen zu richten, der es wagen würde, sie zu behandeln wie ein Kind ‒ und hatte dann lachend klein beigegeben.
Yani und Udad, beide mit frischer Gesichtsbemalung, so wie Lilya, schwatzten während des gesamten Weges miteinander. Lilya ging zwischen ihnen und freute sich darüber, dass die beiden jungen Männer sich trotz des anfänglichen Misstrauens und derspürbaren Eifersucht inzwischen so gut verstanden, als wären sie Brüder. Sie genoss das Gefühl, Freunde zu haben.
Lilyas Füße gingen den Weg zu Kobads Haus, als wären sie ihn schon tausendmal gelaufen. Sie lächelte. Was hatte sie sich früher geplagt, wenn sie nur ein Dutzend Schritte tun musste, und gejammert, dass ihr die Füße wehtaten, dass sie so schrecklich müde sei. Sie hätte niemals den ganzen Weg zum Basar und wieder zurück aus eigener Kraft zurücklegen können ‒ und heute lief sie ihn, als wäre er nur ein kurzer Gang von einem Zimmer ins nächste.
Das prächtige Anwesen des Begs war schon von Weitem zu sehen. Rötlich-braune Mauern ragten empor, über denen die Bäume und Büsche des Gartens zu sehen waren. Dahinter schimmerte hell das Gebäude durch das grüne Laub. Lilya kniff die Augen zusammen. Oben auf dem flachen Dach konnte sie das Fernrohr des Begs erkennen, das auf einen Punkt im Himmel gerichtet war. Also wollte Kobad heute Nacht die Sterne beobachten. Lilya seufzte.
Yani war verstummt und starrte mit zusammengezogenen Brauen auf das Haus. Lilya konnte förmlich riechen, welche Gedanken ihm durch den Kopf gingen. »Ihr beide bleibt hier«, sagte sie. »Keine Widerrede. Ihr nützt mir nichts, wenn die Wächter euch festgenommen haben. Versteckt euch. Wenn ich bis zum Einbruch der Nacht nicht zurück bin, dann kehrt ihr in den Basar zurück.« Sie nahm die Hände der beiden Männer und sah ihnen eindringlich in die Augen. »Versprecht es mir. Keine Heldenstückchen, bringt euch nicht unnötig in Gefahr. Er wird mir nichts tun. Schlimmstenfalls hält er mich fest, unddann werde ich einen Weg finden, ihm zu entkommen. Bringt den Prinzen aus der Stadt. Wir treffen uns im Dorf wieder. Ich verspreche es euch!«
Widerstrebendes Nicken, gemurmelter Widerspruch, der von Lilya mit einem zornigen Blick erstickt wurde. Sie umarmte beide, gab jedem einen Kuss und ging dann, ohne sich noch einmal umzuschauen, auf den Eingang des Anwesens zu.
Das Tor war unbewacht, wie sie erwartet hatte. Im Innenhof hörte sie Stimmen. Sie erkannte die helle Trompetenstimme des dicken Teto und zwei tiefere Brummbässe, die sie nicht kannte.
Lilya blieb am Tor stehen und überblickte den Hof. Teto und zwei andere Bedienstete
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