ePub: Drachenhaut (German Edition)
legte das Gesicht in die Hände. »Verflucht.«
Aspantaman beugte sich vor. »Die Wüstenleute? Würden sie uns aufnehmen?«
Lilya sah Yani fragend an, der die Schultern hob. »Ich kann nicht für die Ältesten sprechen«, erwiderte er. »Was mich betrifft: Ich kann jeden Mann brauchen.« Sein Gesicht wurde finster. »Aber du wirst kaum gegen dein eigenes Volk, deinen eigenen Vater und Bruder kämpfen wollen.«
Amayyas senkte den Blick, er schwieg. Aspantaman rieb sich matt über die Augen. »Wir könnten uns zur kalkaterischen Küste einschiffen«, sagte er. »Die Kalkater sind Gashtaham gegenüber neutral. Du könntest den Khan um offizielles Asyl bitten, er ist ein entfernter Cousin deiner Mutter.«
Amayyas sank auf das Kissen zurück. »Ich kann noch nichts entscheiden«, sagte er. »Ich bin schon so lange kein ganzer Mensch mehr gewesen. Immer nur der eine Tag, die eine Nacht. Ich weiß gar nicht mehr, wie es sich anfühlt und was ich tun und lassen kann. Was ich tun sollte, was ich lassen muss. Vergebt mir, ihr alle, die ihr mir so freundlich entgegenkommt. Ich bin immer noch eine Missgeburt, hier, in meinem Kopf und in meinem Herzen.« Er schlug sich gegen die Stirn und auf die Brust und sein Blick war voller Angst.
Aspantaman beugte sich zu ihm und nahm seine Hand. »Ich bin bei dir, mein Prinz«, sagte er ruhig. »Ich bin dein Kopf, dein Herz und deine Seele. Ich trage dich, wenn deine Beine zu schwach sind. Ich schütze dich, wenn deine Feinde dir Böses wollen. Ruhe dich nun aus, Amayyas. Wir müssen heute Nacht nichts entscheiden.«
Schließlich kamen sie alle zur Ruhe, die Lampen wurden gelöscht und sie lagen in der flüsternden, atmenden Dunkelheit des Gewölbes. Lilya ruhte auf einem Stapel weicher Teppicheund Decken zwischen Yani und Udad und lauschte dem ruhigen Atem der Schlafenden. Sie war hellwach und starrte in die Dunkelheit, in der Funken zu tanzen schienen. So müde sie auch war, der Schlaf wollte nicht zu ihr kommen. Ihre Augen brannten, und die Glieder zuckten und kribbelten.
Schließlich setzte sie sich lautlos auf, kroch zwischen den beiden tief schlafenden jungen Männern hervor und tastete sich durch die Tür in den vorderen Raum. Dort spendete eine sorgsam abgeschirmte Öllampe ein schwaches Licht, in dem sie sich orientieren konnte. Sie hockte sich auf eine Truhe, zog die Füße hoch und umklammerte ihre Knie. Was sollte sie nun tun? Sie hatte nur bis hierher gedacht, nicht weiter. Der Prinz war befreit, sie konnte jetzt mit Yani und Udad in die Wüste zurückkehren. Warum machte der Gedanke sie nicht glücklich?
Die Schritte, die sich näherten, waren vertraut. Sie rückte beiseite und ließ Yani neben sich auf die Truhe. Er legte den Arm um sie und sie lehnte sich an seine Schulter.
»Du kannst nicht schlafen?«
Lilya seufzte. »Was soll ich tun?«, fragte sie leise. »Ich bin nicht weniger verwirrt als Amayyas. Einst war ich Kobads Enkelin, Lilya Banu. Gleichzeitig war ich die dunkle Missgeburt mit den schrecklichen Malen.« Ihre Finger berührten unwillkürlich ihr Auge und die Wange darunter. »Dann war ich die seltsame Drachenhaut, die um ihrer Zaubermale willen getötet werden sollte. Dann war ich Lilya Drachentochter, eine Freie. Dann war ich Lilya, Enkelin des Drachen und Tochter eines Rakshasa. Dann war ich Lilya, Schwester von Aghilas. Ich war ein Mensch und ein Leopard – und ich weiß, dass ich mich davor fürchte, ein Drache zu sein.« Sie hörte mit der Aufzählung auf und sah Yanian. Sein Gesicht war ein Fleck in der Dunkelheit, in dem das Weiß seiner Augen gespenstisch leuchtete. Er nickte ihr sacht zu.
»Was bin ich jetzt, Yani?«
Seine Finger berührten ihre. »Du bist Lilya«, sagte er.
Sie saßen lange und schwiegen. Lilya lauschte der Dunkelheit. Dann atmete sie tief ein und nickte. »Ich bin Lilya. Danke, Yani.«
»Gern geschehen«, erwiderte er. Seine Zähne blitzten weiß, er lächelte. Lilya betrachtete ihn mit einem verwirrenden Gemisch von Empfindungen, die sie selbst nicht einordnen konnte. Er war so erwachsen geworden. Er war ein ansehnlicher, starker Mann mit einem verwegenen Lächeln, das ihr die Knie weich werden ließ und ein warmes Gefühl in der Magengrube hinterließ. Sie sah im gleichen Moment den Jungen, den sie kannte, und einen Mann, der ihr fremd war und der sie anzog, wie sie es noch nie zuvor erlebt hatte. Ihre Empfindungen glichen in keiner Weise der Freundschaft, die sie für Udad empfand. Das hier war ... mehr.
»Ist sie
Weitere Kostenlose Bücher