ePub: Drachenhaut (German Edition)
Stärkung brauchen. Yani, mein Junge, lass deine Freunde später erzählen. Esst erst einmal etwas.«
Lilya ließ ihre Fürsorge dankbar über sich ergehen. Die alte Frau, die Yani »Umma« nannte, brachte ihnen Brot und Früchte und schenkte gesüßten Pfefferminztee in kleine Gläser.
Aspantaman entschuldigte sich, weil er in der Nähe des Prinzen bleiben wollte, der auf einem Diwan in festen Schlaf gesunken war. Der Eunuch saß neben ihm und hielt ihn im Blick, als fürchte er, Amayyas könne ihm jeden Moment wieder genommen werden.
Lilya aß langsam und schweigend und spürte die Blicke der beiden jungen Männer auf sich. Sie sah auf und lächelte. »Was ist? Ihr schaut drein, als wäre mir plötzlich eine zweite Nase gewachsen.«
»Ah«, machte Udad und runzelte die Stirn. Yani öffnete den Mund und schloss ihn wieder, kratzte sich nervös am Kinn.
»Was habt ihr?«, fragte Lilya beunruhigt.
»Ich habe es vor dem Serail schon bemerkt, aber ich dachte, es wäre das helle Licht, das mich täuscht«, sagte Udad.
Yani beugte sich vor und starrte Lilya ins Gesicht. »Und ich habe geglaubt, das Lampenlicht würde sie verschlucken.«
Lilya schob ihren Teller energisch fort und rief: »Seid ihr verrückt geworden? Warum zieht ihr mich so auf?«
»Deine Male«, sagte Udad, und gleichzeitig murmelte Yani: »Die Drachenhaut.«
Lilya schnaubte und folgte Yanis Blick, der nun ihrem Arm unter dem zerrissenen Ärmel galt. Sie sah unwillig auf die braune Haut nieder, hob den Kopf, wollte Yani und Udad zurechtweisen, als ihr Verstand berichtete, was die Augen nicht hatten wahrnehmen wollen. Sie starrte wieder auf ihren Arm, ihre Hände, sah Udad und dann Yani fassungslos an. »Meine Zeichen sind fort.« Ihre Hände flogen zum Gesicht, zum Hals. »Diese auch?«
Die jungen Männer nickten.
Lilya saß wie erstarrt da. Ihre Gedanken tanzten umher. Ohne die Zeichen war sie ein ganz normales Mädchen, das ein ganz normales Leben führen konnte. Ohne die Zeichen würde Der Naga, der Drache, ihr Großvater, sie in Frieden lassen. Ohne die Zeichen konnte sie keinen Zauber mehr wirken. Ohne die Zeichen war sie kein Drache mehr. Oder stimmte das alles nicht?
Sie stöhnte leise. »Kommen wir ohne Zauber von hier weg? Wir müssen Amayyas irgendwie tarnen. Sie suchen nach ihm.«
Die beiden jungen Männer wechselten einen Blick. Yani nickte langsam. »Er kann hierbleiben, bis er sich ein wenig erholt hat. Sie werden schwerlich den Basar bis in den letzten Winkel durchsuchen.«
Udad runzelte die Stirn. »Bist du jetzt immer ... bleibst du ein Mensch?«
Lilya durchfuhr ein heißer Schreck. Darüber hatte sie noch gar nicht nachgedacht. Würde sie es aushalten, von ihrem Rudel getrennt zu sein, wenn mit den Zeichen auch ihre Fähigkeit zum Gestaltwechsel verschwunden war? Sie atmete hastig ein. Es war ganz einfach, sich zu verwandeln. Jedes Kind hätte es gekonnt, wenn man ihm nur gezeigt hätte, wie es geht ...
Sie hörte den erleichterten Ausruf Udads, ehe sie selbst erkannte, dass sie die Umgebung mit den scharfen Sinnen eines Rakshasa wahrnahm. Erleichterung durchfuhr sie. Alles war gut.
»Dann habe ich es also nicht geträumt«, sagte die matte Stimme des Prinzen. »Lilya, du bist ein seltsames Mädchen.«
Sie verwandelte sich zurück und wischte sich übers Gesicht. »Wie geht es dir?«, fragte sie.
Aspantaman half dem Prinzen, sich aufzusetzen. »Ich fühle mich, als wäre eine Kamelherde über mich hinweggetrampelt«, sagte Amayyas. »Aber ich bin ein Mensch, keine Missgeburt, und dafür nehme ich ein paar Schmerzen gerne in Kauf.« Er lachte und verzog das Gesicht. »Weißt du, wie lange es dieses Mal andauern wird? Ich möchte jede Sekunde genießen.«
Lilya hob ratlos die Hände. »Ich habe keine Ahnung. Aber da ich meine Zauberzeichen allesamt an dich verloren habe, sollte der Fluch gebrochen sein. Du hast mich gefressen, Amayyas.«
»Das wäre zu schön«, flüsterte der Eunuch, und der Prinz nickte nachdrücklich.
»Wir bleiben also hier und warten ab, was geschieht«, nahm Yani energisch den vorherigen Faden wieder auf. »Umma wird unsere Verbindung nach draußen sein. Sie kann uns versorgen und sich umhören. Sobald die Jagd auf uns abgeblasen wird, können wir aus der Stadt entkommen.«
Der Prinz ließ sich von Aspantaman ein Glas Tee reichen. Er sah fragend von Lilya zu Yani. »Wohin soll ich gehen?«
Udad schüttelte den Kopf. »Aghilas hat ihm Asyl angeboten. Aber er ist kein Panther mehr.«
Lilya
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