ePub: Drachenhaut (German Edition)
überliefen.
Hierzu muss man anmerken, dass diese königliche Garde ausschließlich aus Sklaven bestand, die sich von Massinissa ihre Befreiung erhofften, wie er es in einigen Verlautbarungen versprochen hatte.
Das Serail fiel als letzte Bastion. Shâya Faridun und der Kronprinz hatten sich hier verschanzt und leisteten mit einigen verbliebenen Getreuen erbitterten Widerstand.
In Mohor erzählt man sich noch heute, dass die Revolte dadurch entschieden wurde, dass einer der sagenhaften Drachen Gashtahams in den Kampf um den Königspalast eingriff und Shâya Faridun tötete. Augenzeugen zufolge wurde der König verstümmelt und verbrannt am Fuß seines Thronsitzes aufgefunden.
Auch Kronprinz Farrokh starb unter nicht geklärten Umständen. Es heißt, dass ihm seine Leidenschaft, die Jagd, schließlich zum Verhängnis wurde: Durch einen unglücklichen Zufall hatte sich einer seiner Jagdleoparden aus dem Gehege befreit, den Kronprinzen angefallen und zerfleischt. Wie das während des Kampfes um das Serail geschehen konnte und ob nicht doch ein gezielter Anschlag dahintersteckte, ließ sich niemals aufklären.
Massinissa II. bestieg wenige Tage nach dem Tod des alten Shâyas den Thron und eröffnete seine Regierungszeit mit mehreren aufsehenerregenden Erlässen. Die Sklavenhaltung wurde gesetzlich abgeschafft, alle Sklaven in die Freiheit entlassen. DieWüstenvölker bekamen die gleichen Rechte zugesichert, wie sie bisher den Sardar vorbehalten gewesen waren. Massinissa verbot die Jagd auf Leoparden in seinem Land (und führte ein Jahr später deswegen sogar einen Krieg mit dem Nachbarland Grohan-Kon, damit auch dort die großen Raubkatzen fortan in Frieden leben konnten).
Seine vormaligen Rebellen-Hauptleute rückten in hohe Regierungsämter auf. Der Obersteunuch und ehemalige Erzieher des Prinzen, Aspantaman, wurde zum Wesir ernannt und der militärische Anführer der Wüstenvölker, Yani, ebenfalls ein ehemaliger Sklave, in den Rang des Obersten Befehlshabers der königlichen Truppen erhoben.
Die weise Frau, die den Prinzen beraten und begleitet hatte, entschied sich, bei ihrem Volk zu bleiben. Aber sie besuchte den König regelmäßig im Serail, und es heißt, dass er jederzeit für sie zu sprechen war und große Stücke auf ihren Rat hielt und dass auch Königin Azadeh die Gefolgsfrau ihres Gemahls als Freundin und Beraterin betrachtete.
Auch um diese weise Frau spinnt sich eine der mythisch-verehrenden Sagen Gashtahams: Lilya, die Drachenfrau, soll über magische Fähigkeiten von großer Kraft verfügt haben. Die Sage erzählt, dass immer, wenn Gashtaham oder seinem Königsgeschlecht in der Zukunft Unheil drohte, über dem Serail ein großer, rot und goldener Drache seine Kreise zog und dafür Sorge trug, dass das Unheil abgewendet wurde: der Große Drache von Mohor.
E PILOG
»Wer hat unsere Wette denn nun eigentlich gewonnen?« Die Peri Banu räkelte sich träge und stupste Den Naga leicht mit dem Fuß an.
Der Naga brütete über dem Brettspiel, das sie seit ein paar Wochen spielten. Die stark dezimierten grünen Steine, die seine Drachenarmee repräsentierten, standen am Rande der Leeren Ebene, rundum eingekesselt von den roten Kriegern der Feenfürstin. Er musste, wenn er das Spiel noch gewinnen wollte ‒ und das wollte er unbedingt! ‒, einen Durchbruch zu den Kalten Bergen am anderen Ende der Leeren Ebene wagen. Das war gefährlich und mit Sicherheit verlustreich. Er seufzte und setzte seinen General in Marsch.
»Redest du jetzt nicht mehr mit mir?« Die Peri Banu zog eine Schnute. Der Schlangengott blickte mit gerunzelter Stirn auf. Sosehr er es liebte, wenn sie schmollte, sosehr ging es ihm jetzt auf die Nerven. »Du versuchst doch nur, mich durcheinanderzubringen, damit ich einen falschen Zug mache«, beklagte er sich.
Die Fürstin lächelte schwach. Sie lehnte sich zurück und ließ sich von einer Dienerin einen Obstteller reichen, von dem sie mit spitzen Fingern eine Aprikose wählte.
»Also, nun zieh schon und dann beantworte meine Frage«, sagte sie und grub ihre weißen Zähne in die weiche Frucht.
Der Naga sah hypnotisiert zu, wie ein wenig von dem orangefarbenen Fleisch und Saft an ihrem Mundwinkel herabrann und eine kleine, rosafarbene Zunge es zierlich aufleckte. Er riss seinen Blick los und räusperte sich mehrmals.
»Unsere Wette«, wiederholte die Peri Banu geduldig. »Mein kleiner Amayyas ist schließlich seinen Fluch losgeworden. Es war doch sehr hübsch, wie er zusammen mit
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