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Equinox

Equinox

Titel: Equinox Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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stemmte mich gegen den Einkaufswagen und meine Sohlen quietschten wie Rennreifen. Dann stoppte ich noch mal.
    »Du findest also, ich könnte prima ein grotesk fettes Muttersöhnchen in einem strassbesetzten, fransenbehangenen und in sämtlichen Nähten krachenden Lederanzug darstellen?«
    Wieder schlug sie die Augen nieder, lächelte, verlegen. »Nein, ich meinte natürlich den frühen Elvis. Als er noch knackig war.«
     
    Gott, dachte ich und schob die Karre mit Vollgas durch die Gänge, wie kann man nur so naiv sein, sich einem in der Wolle gefärbten Scheusal wie mir so … so offen auszuliefern. Ich sollte sie anbaggern, abschleppen, flachlegen, sie eine Nacht lang so richtig durchnudeln und dann fallen lassen. Dass sie’s mal lernt. Gleichzeitig wusste ich, dass ich nur ein bisschen stillhalten musste, und irgendein anderer Saukerl würde genau das machen und ich hätte sie anschließend zumindest nicht auf dem Gewissen.
     
    Ich packte den hölzernen Griff mit eiserner Faust, völlig konzentriert, ja, fokussiert auf mein Vorhaben. Leise schlich ich mich an.
    »Waf tuft du da?«, fragte Jochen, in meinem Rücken.
    Sachte, um kein Geräusch zu machen, klappte ich mein Bett hoch. Ich brauchte Raum.
    »Und waf haft du vor mit diefer …«
    Ich hob sie hoch über meinen Kopf, ließ mich von ihrem Gewicht in eine leichte Rücklage ziehen, spannte alle Muskeln und Sehnen für optimalen Schwung, maximale Wucht.
    »…Bratpfanne?«, fragte Jochen und hielt sie fest, hinter meinem Rücken.
    »Er hat uns nominiert«, flüsterte ich, um ihn nicht zu wecken, zitternd vor Anspannung, und deutete mit der freien Hand eindringlich auf den schlafenden Scuzzi. »Und dafür«, flüsterte ich, »verpass ich ihm jetzt eine, die er sein Leben lang nicht vergisst.«
    »Mach keinen Quapf«, meinte Jochen und nahm mir die Pfanne unsanft ab. »Wo haft du die überhaupt her?«
    »Ich … ich habe keine Ahnung«, gestand ich, wahrheitsgemäß und selber erstaunt.
    Hot dog, jumping frog, Al-bu-querque, schallte es von draußen herein, und ein weiteres Zittern durchfuhr mich, einmal von oben bis unten. »Er hat uns nominiert«, wiederholte ich. Und meine Hände wollten sich wie von alleine um den Hals des Schlafenden legen und zudrücken. Drücken, drücken, drücken. »Für das Elvis-Karaoke, heute Abend.«
    Scuzzi konnte das. Er hatte eine Liste. Ein Teil des uniformierten Personals konnte zu Entertainment-Zwecken rekrutiert werden, als Tanzpartner für allein reisende Damen zum Beispiel (Gott, ich hatte ihn gewarnt) oder bei sportlichen Wettbewerben (und gewarnt) oder eben zur Auflockerung eines Karaoke-Abends (und noch mal, mit großem Ernst). Und da hatte man dann zu erscheinen. Stand im Vertrag. Was nicht darin stand, waren die Konsequenzen für das Nicht-Erscheinen, doch ich würde es erfahren, so viel war jetzt schon sicher. Wahrscheinlich kappten sie einem die Heuer, doch es war mir egal. Das Geld würde ich mir von Scuzzi zurückholen und fertig. Etwas beruhigt drehte ich mich von ihm weg. Jochen hatte den Siebzig-Prozentigen aufgemacht und nutzte ihn zur Desinfektion.
    »Wupfie«, sagte er, deutete und tupfte Wodka auf Bissspuren an seiner mit Watte verstopften Nase, »und Pupfie«, sagte er und verfuhr genauso mit seinem blutigen linken Ohr. »Rawierklinge«, erklärte er und streckte die heftig verpflasterten Finger seiner Rechten vor. »Aber ich hab den Fmuck gefunden. Gleich neben der Klinge.«
    Na, wunderbar. Fraglich blieb, womit er den Rest der Reise herumlaufen wollte. Die Beine seiner zweiten und letzten Hose hingen ihm bis zu den Knien in Fetzen.
    »Am besten machst du Shorts draus«, riet ich ihm, während er herausstieg und sie noch mal nachdenklich ins Licht hielt. »Und hoffst, dass es keiner merkt.« Achselzuckend warf er sie in den Mülleimer. Ging an seinen Spind. Holte eine makellose, flatschneue dunkelblaue Uniformhose hervor und zog sie über. Mit Bügelfalten und allem.
    »Ja aber …«, begann ich, und er sah mich kalt an.
    »Bevor du fragft«, sagte er und zeigte auf die aus dem Eimer heraushängenden Fransen, »daf da war eine von deinen.«
     
    »Wir müssen ein Auge auf die honigblonde Kellnerin haben«, sagte ich. Wir drückten uns links und rechts um einen der Wasserspender herum, New York, New York in den Ohren. Es war an der Zeit, ein paar Dinge hinter uns zu bringen, um Spielraum für die Verfolgung eigener Interessen zu gewinnen. Jochen nickte sein vollstes Einverständnis.
    »Sehen, mit wem sie

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