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Equinox

Equinox

Titel: Equinox Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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noch so flirtet.« Jochen nickte, als sähe er sich schon in dieser Rolle. »Dann zählen wir einen davon aus und beschuldigen ihn, aus Eifersucht Fjodrs Kabine verwüstet zu haben.« Jochen sah mich skeptisch an.
    »Mogeln irgendein Beweisstück unter den ganzen Dreck.«
    Jochen sah noch eine Spur skeptischer drein.
    »Pass auf«, erklärte ich ihm. »Der Käptn will Ergebnisse und der Käptn kriegt Ergebnisse. So oder so. Und je eher, desto besser. Sag mal«, dachte ich laut und zog Jochen mit mir, Richtung Piano-Bar, »hab ich den nicht auch mal mit der Honigblonden tanzen sehen?«
     
    »Genauso wie Wassilij, wie Funker Jansen, Dr. Köthensieker, Antonov, ach, nimm, wen du willst«, sagte Jochen. »Der ganze Kahn ist doch scharf auf die Perle.«
    Die sich gerade tief nach vorne beugte, um dem etwas verschwollen dreinblickenden Reverend McNish einen späten Morgenkaffee zu kredenzen. Schwer zu sagen, ob es die tiefe Beuge war oder der frisch Gebrühte, auf alle Fälle beschlug es dem Reverend recht heftig die Brille.
    Ein jüngerer Pianist als der Fürst saß am Flügel und spielte ein unaufdringliches Elton-John-Medley. Da ist etwas durch und durch Unaufdringliches an Eltons Kompositionen. Und gleichzeitig auch etwas durch und durch Unaufregendes. In jeglicher Hinsicht.
    »Trotzdem«, sagte ich. »Eifersucht ist ein klasse Motiv für so eine Aktion. Und der Fürst hat einen ziemlichen erotischen Magnetismus.«
    Der Reverend, Brille geputzt, hob die Tasse, probierte, grimassierte, gestikulierte, reklamierte. Die Honigblonde nahm die Tasse kurz mit, hielt sie zweimal unter den Osborne, stellte sie mit einer Verbeugung wieder vor den Reverend und das Brillentuch musste erneut herangezogen werden.
    »Blödsinn«, fand Jochen. »Alles, was der hat, ist ein abnorm entwickelter Rammeltrieb. Erotischer Magnetismus!« Jochen schnaubte.
    »Ääh«, warf ich ein, doch Jochen hörte nicht hin.
    »Dieses ganze ekstatische Tastengott-Gehabe dient doch nur dazu, ihm was auf die Tücher zu locken. Lächerlich eigentlich. Ich nehm dem noch nicht mal -«
    »Aäh«, unterbrach ich, doch Jochen war jetzt in Fahrt.
    » - ich nehm dem noch nicht mal den Fürsten ab. Alles Masche, wenn du mich fragst. Kriegt man in Nowosibirsk oder wo der herkommt wahrscheinlich im Tausch für zwei Flaschen Fusel und ‘nen Sack Kartoffeln, so ’nen Adelstitel. Vielleicht sollte ich echt mal ein paar Worte mit der Blonden wechseln. Fjodorov geht’s doch einzig und allein ums Rammeln, Rammeln, Rammeln. Nimm dem die Viagras weg und es bleibt nur ein versoffener, schnauzbärtiger alter Sack mit viel zu langen Haa-«
    »H-mhm«, mischte sich Fürst Fjodr Fjodorov Tsarinski, der schon ein Weilchen direkt hinter Jochen gestanden hatte, in unser Gespräch ein. Beendete es damit, kann man sagen. Jochen zumindest sah so aus, als ob er den Rest des Tages brauchen würde, seine Maulsperre zu überwinden.
    »Haben die Herren die Beweisaufnahme in meiner Kabine abgeschlossen?«, fragte der Fürst ungerührt, im Anschluss an ein kleines, bedrohliches Schweigen. Er sprach mit den kratzigen R des Ostniks und der tiefen, belegten Stimme, die einem ausdauernder Konsum reinweißen Alkohols und tiefschwarzen Tabaks schenkt, und winkte der Honigblonden mit zwei Fingern, was die sachte erröten und an seine Seite schweben ließ.
    »Wie immer?«, hauchte sie, sichtbar erregt, und er nickte gnädig, sein schmales Lächeln voll patriarchischen Großmutes. Jochen drehte sich weg und würgte an einem mindestens faustgroßen Klumpen Sexualneides herum. Wie so viele frisch Verlassene kann er nur schlecht jemandem was gönnen, unser Jochen.
    »Denn so nett Ankjes Kabine auch sein mag«, fuhr der Fürst fort und sah der Honigblonden verträumt hinterher, »so ist sie doch auf Dauer etwas zu eng für …«, er suchte nach einem Wort, fuhr sich nachdenklich durch die dichte graue Mähne, »… Leidenschaft«, entschied er sich schließlich, und Jochen hustete kurz in seinen Kaffee.
    Fjodr sah sich um, zupfte mich leicht am Ärmel. »Halbes Stündchen Zeit, heute Abend?«, fragte er vertraulich, und ich sah nun meinerseits der Blonden hinterher beziehungsweise entgegen, denn sie hatte es mädchenhaft eilig, ihrem Stecher den mit einem Spritzer Orangensaft nur unmerklich eingetrübten vierfachen Wodka zu bringen.
    Halbes Stündchen?, dachte ich, noch nicht ganz sicher, worüber wir hier redeten, aber wie immer bereit, als Erstes meinen niederen Instinkten zu lauschen. Bisschen wenig,

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