Equinox
Tete-á-Tete, und Carla hatte den Kopf in den Nacken geworfen und gelacht, als Fjodr wie selbstverständlich seinen Arm um ihre schmale Taille legte, und beide hatten noch mal in meine Richtung geblickt, bevor sie gemeinsam durch die Tür nach draußen schlüpften. Spöttisch hatten sie geblickt, in meine Richtung. Fjodr und Carla.
Schwankte ich? Nein, es war das Schiff. Die See war rauher geworden in den letzten paar Stunden. Kabbelig. Ich setzte die Flasche noch mal an, in wankendem Laufschritt.
Und jetzt würden sie mir dafür büßen. Fjodr und Carla.
Eine titanische Energie, ein dämonischer Zorn trieben mich voran. Dampf stieb aus meinen Nüstern, der Flaschenhals knirschte unter meinem Griff, wer sich mir in den Weg stellen sollte, war so gut wie tot.
Eigentlich erstaunlich, wie ich trotz allem diesen verdammt klaren Kopf behielt.
Büßen würden sie mir. Fjodr. Und Carla.
Da - die graue Klappe mit dem großen roten »F«. Ich drückte Scuzzi die Pulle in die Hand, riss die Klappe auf und atmete einmal tief durch.
»Wenn ich >los< sage«, kommandierte ich, flüsternd jetzt, um niemanden vorzuwarnen, »drehst du das Ventil hier bis zum Anschlag auf. Kapiert?« Scuzzi nickte, versuchte, glaube ich, noch den einen oder anderen geraunten Einwand vorzubringen, doch ich wischte alles beiseite, hörte eh nichts mehr mit all dem heulenden Wind in meinen Ohren, schnappte mir die solide Spritze mit dem großen Hebel und brachte mit einem gewalttätigen Ruck die Schlauchtrommel in schwirrende Rotation.
Da - Fjodrs Kabinentür. Ein Blick über die Schulter: Scuzzi stand am Ventil. Perfekt. Nun bloß nicht zögern.
»Los!«, rief ich und kickte die Tür auf. Der Schlauch schwoll an, versteifte sich obszön in meiner Hand, und als ich den Hebel herumriss, warf mich der plötzliche Rückstoß bis an die Tür der gegenüberliegenden Wand. Aber ich bekam das zuckende C-Rohr in den Griff und mit fauchendem, fast armdickem Wasserstrahl blies ich Fürst Fjodr Fjodorov-Tsarinski sauber von der Matratze. Nun ja.
Das meiste von ihm, sollte ich vielleicht sagen.
Ich hatte auf den Balg gezielt, völlig selbstverständlich wegen der großen Angriffsfläche, und den Balg hatte ich erwischt, und der Balg war es dann auch, der beim explosionsartigen Aufprall des Hochdruck-Wasserstrahls augenblicklich aus dem Bett gewirbelt wurde.
Was drinblieb, im Bett, war der Rest, war der Kopf des Fürsten.
VIER
»Ja«, sagte ich. »Ja. Ja, ja, ja.« Ich trug wieder den Kissenbezug. Aber die Augenlöcher nach hinten, diesmal. Ich wollte nichts sehen. Und vor allem nicht gesehen werden. Es war alles so peinlich.
Jetzt, wo das Kokain mal wieder verflogen war, blieb mir nur das Schwindelgefühl einer gefährlichen Überdosis Wodka. Das und die fliegende Hitze sich manifestierender Peinlichkeit.
»Du wolltest nicht hören«, sagte Scuzzi.
»Ja«, sagte ich. »Ja, ja.«
Die ganze Aktion mit Fjodr war, im Nachhinein und blassen Licht eines heraufziehenden neuen Tages betrachtet, so furchtbar schlau nicht gewesen. Sinnlos, wenn wir mal ehrlich sind. Ich hatte auch die Wassermassen völlig unterschätzt, die so ein Schlauch in kürzester Zeit von sich gibt. Mit dem Wanken des Kahns war eine halb-wadentiefe Flutwelle aus der Kabine hinaus- und den kompletten Gang entlanggelaufen. Bevor sie sich das Treppenhaus hinabwälzte.
Der erste Instinkt war selbstverständlich Flucht gewesen. Doch mit dem Leichenfund und der verfluchten Video-Überwachung und allem wuchs ein monströser Erklärungsnotstand vor meinem geistigen Auge. Und dann packte mich eine meiner tollen Ideen. Ich wurde ergriffen von der ergreifenden Möglichkeit einer nachträglichen Legalisierung unseres Verhaltens. Ja, was mir da kam, war mir absolut brillant vorgekommen.
Ich hatte mir Fjodrs überbordenden Aschenbecher geschnappt, ihn in den schon mit zerrissenen Computerausdrucken gefüllten Papierkorb geleert, noch einen satten Schluck vom siebzigprozentigen Wodka obendrauf geschüttet und die ganze Chose angesteckt. Brillant. Absolut brillant. Die tolle Idee war, einfach zu behaupten, wir hätten im Vorbeilaufen das Feuer bemerkt und …
Leider hatte ich die Zündkraft oder vielleicht auch die Menge des Siebzigprozentigen falsch eingeschätzt. Der Eimer ging jedenfalls hoch wie ein, tja, wie ein Brandsatz. Blöderweise stand er direkt neben dem Kleiderständer, und bis wir den Schlauch wieder in Betrieb und all die brennenden Klamotten gelöscht hatten, war der
Weitere Kostenlose Bücher