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Equinox

Equinox

Titel: Equinox Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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Grinsen in seine Mundwinkel.
    »Hoch mit dir«, stieß er gepresst hervor, »und zwar ein bisschen flott. Deine neue Abteilung wartet schon ungeduldig auf dich.« Und er keuchte ein kurzes Lachen.
     
    Unter etwas anderen Umständen hätte ich ihn gefragt. So musste ich für den Moment mit dem Nachhall seines tonlosen Lachens leben und mit der Kreisbewegung meiner Gedanken um den möglichen Quell dieser Heiterkeit.
    Von dunklen Vorahnungen gespeiste Neugier trieb mich zur Eile, doch der Verkehr ließ kein rasches Vorankommen zu. Überall auf den Gängen wurde ungeschickt mit Einkaufswagen rangiert, wurde die Beute zu den Kabinen geschoben, begleitet von den Mienen satter Zufriedenheit, die der beinahe zwangsläufig folgenden Erkenntnis voranging, dass einen auch der Erwerb von gleich vierundzwanzig Literflaschen Fernet Branca nicht von einer lebenslangen Abneigung gegen dieses Gift zu kurieren vermag und dass man wohl auch Freunden des Hauses pro Besuch nur soundso viel von dem gallebitteren Zeug aufnötigen kann.
    Den Gegenstrom bildeten die wie Scheinwerfer aufgeblendeten Augen von Leuten, die irgendwie den Startschuss verpasst hatten und nun von der Panik getrieben wurden, nichts mehr abzubekommen, wovon auch immer. Samstagmittag auf den Straßen von Mülheim an der Ruhr, so ungefähr ging’s hier zu.
    »Kristof!« Jochen schrie hinter mir her, gerade als ich den Aufgang von B nach A in Angriff nehmen wollte. »Mann, ich such dich überall!« Mit einem kurzen Slalom durch den Einkaufswagen-Stau vor dem Aufzug war er bei mir und gemeinsam erklommen wir die ersten Stufen.
    »Ja«, beugte ich die Wahrheit ein bisschen, »ich such dich auch schon den halben Tag. Richard E. Scott fragt, ob du den Verbleib seiner Dollars schon ermittelt hast.«
    Jochen schnalzte vorwurfsvoll mit der Zunge. Er stoppte auf dem Treppenabsatz, sah mich an. Augen ernst, Miene wichtig.
    »Kristof«, sagte er und versuchte doch tatsächlich, mir die Hand auf den Arm zu legen, »ich leite eine Morduntersuchung.« Effektvolle Pause.
    Ich gähnte, und sei es nur, um ihm den Spaß zu verderben.
    »Würdest du nicht auch sagen, dass das Vorrang hat vor ein paar fehlgebuchten Dollars?«
    »Nun«, meinte ich, »erklär das mal deinem angehenden Schwiegervater. Wo hast du eigentlich die ganze Zeit gesteckt?«
    »Ja, was glaubst du?«, rief er entrüstet.
    Ich hob den Fuß auf die nächste Stufe.
    »In der Video-Überwachung natürlich.«
    Ich seufzte, sah ihn an. Das war Jochens Vorgehensweise, immer schon gewesen. Irgendwo auf dem Arsch hocken und … glotzen. Stunde um Stunde, Tag um Tag.
    »Mann, ich habe bald viereckige Augen. Und du ahnst ja nicht, was man da alles zu sehen kriegt. Die Engländer haben Dienst und sie haben mir ein Band aus der Nippon-Bar vorgespielt, also, du glaubst es nicht. Da haben die diese lange Blondgefärbte auf den großen Tisch gelegt, nackt, und dann haben sie alle ihre Hosen runtergelassen …«
    »15B unverzüglich zum A-Deck!«
    »… dass man ihre tätowierten Arsche sehen konnte, und dann haben sie sich alle zusammen einen runtergeholt und ihren … ihren, na, du weißt schon, kreuz und quer über das Mädchen …«
    »Ich muss los«, unterbrach ich ihn. »War es das, was du von mir wolltest?«
    Irritiert hielt er inne, dachte eine Sekunde nach, die Rechte noch in pumpender Demonstration seiner letzten Worte.
    »Nein«, fing er sich. »Ich brauche meine Karte. Meine Ginza-Karte. Es gibt heute fünfzig Prozent«, erklärte er, halb verlegen.
    Ich sah ihn an wie jemanden, von dem man nicht weiß, ob er nun verstockt ist oder wirklich so blöd.
    »Jochen, wir haben in der Kabine eine ganze Rolle mit Zwanzig-Cent-Scannerfeldern, wir kaufen praktisch umsonst ein. Und du willst fünfzig Prozent?!«
    »Du weißt, ich halte nichts von diesen … Methoden«, entgegnete er und wollte mir die Karte aus der Hand nehmen. Aber ich hielt sie fest.
    »Und das«, fragte ich, »ist jetzt wichtiger als die Leitung einer …«, effektvolle Pause, ich plinkerte vielsagend mit den Augen, »… Morduntersuchung?«
    Ohne meinen Blick zu erwidern, nahm er mir die Karte ab, machte kehrt und hastete davon, Richtung Duty-free. Ich wünschte ihm viel Spaß, innerlich.
    Die Rezeptionistin musterte mich, als ob ich gerade versucht hätte, mit meinem Ding vor ihrer Nase herumzuwedeln.
    »Von Mal zu Mal«, begrüßte sie mich, »befinden Sie sich in einem weiter fortgeschrittenen Zustand der Verspätung und äußerlichen Verwahrlosung.«
    »Ja,

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