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Equinox

Equinox

Titel: Equinox Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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time …
    Kam es mir nur so vor oder waren die Aufrufe an 15B verstummt? Das konnte heißen, dass man es aufgegeben hatte, oder aber, dass man nun aktiv nach mir suchte. Physisch.
    … butl guess, we ‘ll never know …
    Bei allem Sehnen nach Betäubung schien deshalb ein Umweg über unsere Kabine wenig ratsam zu sein, doch da nicht abzusehen war, was man auf dem A-Deck von mir verlangte und wie lange das dauern mochte, mussten zumindest Zigaretten her. Ah, verdammt! Die Rolle mit den Zwanzig-Cent-Scannerfeldern lag auch in der Kabine! Doch scheiß drauf - wozu hatte ich schließlich Jochens Ginza-Karte.
     
    Obwohl es langsam Zeit wurde fürs Mittagessen, war im Duty-free die Hölle los. Der Laden war brechend voll, ich kam kaum rein. Weißhaarige Millionärsehepaare, die zum Teil garantiert noch nie in ihrem Leben einen Supermarkt von innen gesehen hatten, fochten knochenknackende Ellenbogenduelle mit blauhaarigen Witwen und den zumeist flammend rot gefärbten Geschiedenen aus, um die man am besten den ganzen Tag, auf alle Fälle aber in den Stunden nach Mitternacht weite Bögen schlug, wollte man nicht in den Würgegriff ihrer schmuckbehangenen Krakenarme geraten.
    Mal eben Zigaretten holen konnte ich mir aus dem Kopf schlagen, und ich wollte schon kehrtmachen, da wurde ich von hinten rüde geschubst, und schon war ich mittendrin im Tumult.
    Diese Leute waren ganz klar von Sinnen. Sie steuerten ihre Einkaufswagen mit der grimmigen Entschlossenheit von Hooligans durch das Getümmel, während ihre Partner links und rechts wahllos, planlos, blind Artikel aus den Regalen rissen und sie in den Drahtkörben zu unübersehbaren Bergen türmten. Reihum wurde sich angefeindet, angegiftet, angerempelt. Vor allem letzte Exemplare von irgendetwas - völlig egal, was, Haarshampoo etwa, von dem riesige Spender in jedem einzelnen Bad an Bord hingen - waren Anlass bitterster, bis zu körperlicher Gewalt reichender Auseinandersetzungen, die streckenweise nur durch den Einsatz Gundolfs oder Wasas daran gehindert werden konnten, in Saalschlachten auszuufern. Knirschend vor Ungeduld wurde in der endlosen Warteschlage vor der einzigen Kasse mit den teuren Dritten gemahlen.
    Elena saß da, klein und verloren unter den Brenngläsern Dutzender Blicke voll archaischer Gier, und riss einen blödsinnigen Einkauf nach dem andern über den Scanner, während hinter ihr Honnaido in einem weißen Kittel mit wütenden Kunden reklamierte Kassenausdrucke durchging.
    Wenn man die Augen schloss, konnte man die vom Hungertod bedrohten Bewohner eines Elendsviertels ein Lebensmittellager der Armee plündern hören. Nicht einmal die Muzak kam an gegen das Klirren, das Grunzen, das Kreischen. Ich öffnete die Augen wieder, und mein Blick voll Ratlosigkeit fiel erneut auf Elena, die ihn mit einer Mischung aus Melancholie und Panik erwiderte und dann hochlenkte zu dem großen Banner, das ich bis dahin irgendwie zu übersehen geschafft hatte. Ah, und mit dem Banner kam die Erinnerung: Richtig, heute war ja der lange angekündigte »Ginza-Tag«. Der für Ginza-Titanium-Inhaber die ganze Reise geltende 25-prozentige Rabatt bei Duty-free-Einkäufen wurde heute großzügig auf fünfzig Prozent verdoppelt, und das konnte, das durfte man sich nicht entgehen lassen, selbst wenn die Menge des erstandenen Shampoos den zu erwartenden Bedarf der nächsten zwanzig Jahre überstieg.
    Vereint in ungläubiger Fassungslosigkeit fand ich mich mit anderen Rauchern vor dem Zigarettenregal ein. Es war leer. Das ganze große Zigarettenregal, Hort einer unendlichen Vielfalt von Marken in unerschöpflich scheinenden Quantitäten, es war komplett leer. Leer gefegt bis auf die letzte Kippe.
    Ich wollte gerade, als eine Art Ersatzhandlung, einer biestigen Krähe von Witwe den Zwölferpack Scan Repair Komplex, einen Glanz und Geschmeidigkeit verleihenden Conditioner für trockenes, strapaziertes Haar, aus den gichtigen Krallen winden, als eine Seitentür aufging und eine Bedienstete einen Hubwagen mit einer ganzen Palette Tabakwaren hereinzerrte.
    Wirf einen Brocken rohes Fleisch in einen von Piranhas verseuchten Tümpel und du hast ein Bild von der entstandenen Szene.
    Und ich bin stolz darauf, sagen zu können, dass das jahrelange Training im »Reise-nach-Jerusalem«-Spielen nach dem Regelwerk des Rockerclubs »Stormfuckers« ein ums andere Mal seine Früchte trug. Okay, ein paar der alten Knacker um mich herum mochten nie wieder so richtig auf die Beine gekommen sein, aber ich

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