Equinox
Scott vorbeiwollte, musste ich mich beeilen.
»Sag mir, wie ich jemals auf die absurde Idee kommen konnte, dir beim Verstecken einer gottverdammten …«, er senkte die Stimme kurz zu einem Flüstern, »… Leiche zu helfen?«
»Du warst besoffen«, antwortete ich, schraubte den Verschluss von der anderen, der angebrochenen Wodkaflasche und hielt sie ihm hin. Er lehnte vehement ab.
»Nein! Auf keinen Fall! Denn eins kann ich dir jetzt schon sagen«, blaffte er, während ich mir achselzuckend einen gönnte, »den Rest dieser Reise werde ich nüchtern bleiben, stocknüchtern!«
Das, dachte ich so für mich, wollen wir doch mal sehen.
»Einer muss ja«, bemerkte er noch ätzend und beobachtete auf eine verkniffene Weise, wie ich der Flasche den Rest gab.
Ein sanfter Schauder durchfuhr mich, als der Hochprozentige mir das Blut zu Lava aufkochte.
Wie Elena wohl auf meine Kostümierung reagieren wird?, fragte ich mich, Sporttasche um, langen Schrittes unterwegs. Entzückt wahrscheinlich.
Doch sie war gar nicht an ihrem Platz. PC-Techniker Honnaido persönlich saß an der Kasse, was die Warteschlange auch nicht verkürzte.
»Wo ist Elena?«, fragte ich ihn und musste warten, während er einen Kunden bediente. Alles in allem war es ruhiger geworden, im Duty-free. Die anfängliche Hysterie hatte, zusammen mit den Beständen in den Regalen, deutlich abgenommen.
»Die Kasse verweigert leider die Annahme Ihrer Ginza-Karte«, teilte Honnaido dem Kunden mit, der etwas nach Luft schnappte, waren die fünfzig Prozent Rabatt doch explizit an den Ginza-Gebrauch gekoppelt. »Wie bei anderen Kunden ist dies wohl auf eine Fehlfunktion im Zentralrechner zurückzuführen.«
Votix, dachte ich. Der alles hier an Bord steuert. Ja, genau genommen das ganze gottverdammte Schiff. Und kann noch nicht mal den Job eines Fünfzig-Cent-Taschenrechners von Wullewulle ausführen, ohne Mist zu bauen. Wie von selbst brachte sich eine von Honnaidos früheren Bemerkungen in Erinnerung: Es braucht menschlichen Input.
»Wir bedauern das sehr. Bitte nehmen Sie Ihre Einkäufe trotzdem mit. Doch, doch. Ginza Titanium besteht darauf. Die Bezahlung können Sie erledigen, sobald die technischen Probleme behoben sind. Wir werden das bekannt machen.« Honnaido schnurrte den Text herunter wie« jemand, der das schon hundertmal gemacht hat.
Etwas ungläubig, wie auf der Suche nach der versteckten Kamera, schob der Kunde mit seinem Einkaufswagen ab.
»Elena hat sich krankgemeldet«, beantwortete Honnaido dann meine Frage, ohne sich auch nur nach mir umzudrehen, und zog den ersten Artikel des nächsten Kunden über den Scanner. Mehr sagte er nicht.
»Wie war der Name?«
»Elena.«
»Und weiter?«
»Weiß ich nicht.«
Köthensieker zog ein Gesicht und wackelte mit Kopf und Hand gleichzeitig in einer »Na-das-wird-schwierig«-Pantomime. Ich war in Eile und er wusste das.
»Darf ich erfahren, warum Sie nach der Dame fragen?«
»Sie hat sich krankgemeldet, und ich möchte wissen, ob sie etwas braucht.«
Köthensieker kaute meine Antwort durch nach Gründen, mein Anliegen zu verwerfen, fand aber keine.
»Schwester?«, fragte er dann, typisch Arzt. »Haben wir eine Patientin namens >Elena«
Mit »typisch Arzt« will ich sagen: Dies war eine Krankenstation mit gerade mal sechs Betten, nicht die Charite. Er sollte sich also erinnern können, im Laufe des Tages eine kleine Supermarktkassiererin mit dem Augenaufschlag von Audrey Hepburn aufgenommen oder behandelt zu haben. Unter all seinen üblichen Geriatrie-Patienten.
»Oh, da muss ich nachsehen«, flötete die Schwester, typisch Schwester. (Der Doktor lässt den kostümierten Clown warten, also spiele ich das Spiel mit.)
Mit nervösen Fingern ging sie einen Karteikasten durch.
»Der Name war Helena?«, fragte sie, und meine Sicherungen gaben diese britzelnden Geräusche von sich, die der Rauchentwicklung und dem Funkenflug vorangehen. Die Zeit lief.
»Elena«, korrigierte ich sie mit einer mich selbst erstaunenden Ruhe. »Mit >E< vorne. Soll ich den Rest auch noch buchstabieren?«
»Nein, nein«, flötete sie nervös. »Das geht schon. Also«, resümierte sie nach Durchsicht der Karten, »also hier ist nichts dabei. Aber ich kann ja noch …«, und sie setzte sich vor ihren Monitor, doch da war ich schon aus der Tür.
Was mich verwirrte, ja beunruhigte, war die Tatsache, dass sie log, die Schwester. Aus rätselhaften Gründen und nicht sehr gekonnt.
Giorgio stand an der Tür zu
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