Equinox
kam.
Jochen hatte mit dem Rücken zu mir dagesessen und Carla, ihm gegenüber in einer kleinen, ach so intimen Nisehe, hatte mich weder erkannt noch sonst wie registriert. Sie hatte nur Augen für Jochen gehabt. Ja, mehr als das. Man war wohl noch bei den Hors d’ceuvres, denn just als ich mich den beiden näherte, senkte Carla die Suppentasse, aus der sie geschlürft hatte, schenkte Jochen einen enorm suggestiven Blick und leckte sich dabei langsam, sehr langsam einen Rest des cremigen Süppchens von der Oberlippe. Gleichzeitig fiel - Zufall - ihre seidene Bluse ein Stück weit auf und ich konnte Jochen sich verkrampfen und die Beine übereinander schlagen sehen.
Die exakt gleiche Show, die sie mit mir in ihrer Kabine abgezogen hatte, und ich rumste mit der Stirn gegen die Wand der Aufzugkabine, dass es durch den gesamten Schacht dröhnte.
Wozu? Ich meine, wozu gab Carla Bayonne sich solche Mühe mit erst dem einen, dann dem anderen, dem letzten verbliebenen Borddetektiv?
»Sag mir alles, was du weißt«, hatte sie zu mir gesagt…
Der Affe wusste, was auf ihn zukam. Er grinste frenetisch, wie um seine Umgebung doch noch umzustimmen, wie um allen um ihn herum zu zeigen, was für ein netter Affe er doch war, jung und gut gelaunt und voller Leben. Ein fröhlicher, harmloser, sympathischer Affe, den man einfach gern haben musste und der es nicht verdiente, in eine Zwangsjacke gesteckt und auf einen Stuhl gefesselt, einem herzlos scherzenden und völlig ungerührt mit Stäbchen und Fingern Reis und Fisch in sich hineinstopfenden Publikum vorgeführt zu werden.
Der Affe wusste, was auf ihn zukam, auch wenn die scharfe Schneide erst nur einem Kreis von Kerzen Docht und Flamme raubte, zu mäßigem, größtenteils gegrunztem Applaus.
Der Affe wusste, was auf ihn zukam, und er bleckte die Zähne und drehte den Kopf hin und her und suchte die Gesichter der Esser um ihn herum ab nach einem Blick des Mitgefühls, nach jemandem, irgendwem, der eventuell noch einschreiten und dem grausamen Spiel ein Ende bereiten konnte.
Das ebenso rein männliche wie rein japanische Publikum lachte und nicht wenige äfften den Affen nach, während das Samurai-Schwert Äpfel und Orangen im Flug halbierte, jedes einzelne Mal exakt in der Mitte.
Der Affe wusste, dass es ernst wurde, als ihm dieser blödsinnige spitze Hut aufgesetzt wurde. Auch das Publikum stellte das Scherzen ein und nicht wenige Münder blieben offen stehen, als sich erwartungsvolle Stille über den Raum senkte.
Wie um das Unausweichliche nicht länger hinauszuzögern, saß der Affe ganz still, als der Hut auf seinem Kopf abwechselnd im Linksschwung und im Rechtsschwung Stückchen für Stückchen, Pappring für konischen Pappring kürzer gemacht wurde. Alles, was der Affe nun tat, war, still zu sitzen und den Kopf einzuziehen, so weit es Jacke und Fesseln zuließen, und mit rollenden Augen der Klinge zu folgen, die, nachdem sie mit der Mütze bis zu einem kleinen Kranz, aus dem der Affenschädel ragte, fertig geworden war, nun zu einem Trommelwirbel wieder und wieder über seinen Kopf hinwegzischte. Bis auf einmal ein tiefes, animalisches Stöhnen durch das Publikum ging. Einen Augenblick lang sahen wir uns an, Affe und ich, beide noch ungläubig, nichts begreifend, dann begann Blut aus der Schnittstelle zu quellen wie aus einer undichten Schlauchverbindung, und ein Zucken ging durch den Affenkörper. Der Kopf fiel herunter und mit einem weichen, organischen Aufprall zu Boden, und Kryszinski stolperte ins Bad, sank auf die Knie und kotzte sich das erste Mal seit Jahren die Seele aus dem Leib.
Durch die offene Badezimmertür, sah ich das schwarze, blutrot gefutterte Cape an der Wand hängen, von dem ich nun wusste, dass es eine eingearbeitete Scheide für ein anderthalb Meter langes Samurai-Schwert enthielt, und kotzte noch mal.
»Carla, Sapporo, Nov. 2000«, stand in ordentlichen Druckbuchstaben auf dem Rücken der Videokassette.
»… war früher beim Zirkus«, hatte Fjodr über sie gewusst. Zirkus, mein Arsch.
Ich hatte mehr über Carla erfahren wollen und einiges riskiert dafür und nun, da es mir gelungen war, fühlte ich keine Befriedigung, sondern nur Übelkeit und Horror.
Ich drückte die Spülung, wischte mir den Mund ab, schaltete den Fernseher und das Licht aus und wankte aus Carlas Kabine.
»Kryszinski, wo zum Teufel steckst du?«
»Antonov, ich brauch deine Hilfe.«
»Kriegst du, kriegst du. Sag mir erst, wo du steckst.«
»Antonov, ich
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