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Equinox

Equinox

Titel: Equinox Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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er mir seinerzeit Gazella angepriesen. »Wenn die dich in die Beinschere nimmt, vergisst du alles.«
    »Ich möchte, dass eins klar ist«, sagte er jetzt und drückte mir den zusammengeklappten Rechner samt Zubehör in die Hand, »damit sind wir beide quitt. Was mich angeht, bist du von jetzt an allein.«
     
    Er hatte Recht, Ratso. Ich war allein. Der Internet-Browser wählte sich wund, doch es war kein Kontakt nach draußen mehr herzustellen. Genauso wenig per Telefon. Jetzt, wo ich drüber nachdachte, fiel mir auf, dass mir schon seit Stunden niemand mehr mit einem Handy am Ohr begegnet war, abgesehen von den klobigen Dingern der Schiffsleitung und Security, die über ein internes, bordeigenes Funknetz operierten.
    Die Equinox war also endgültig vorgestoßen in das »Nordische Loch«, die Außenwelt so unerreichbar wie der Mond. Ein Gefühl griff nach mir, wie man es aus bösen Träumen kennt, wenn man schreien möchte, aber nicht kann.
    Nur Jansen könnte noch über Funk Kontakt herstellen, dachte ich hektisch. Doch der würde die Küstenwache wohl kaum ohne triftigen Grund alarmieren, dämpfte ich mich selber. Und sicher nicht ohne Zoutebooms Zustimmung. Der wiederum würde sich mit Antonov kurzschließen, und wie Antonov zu dieser Ginza-Geschichte stand, war mehr als fraglich, sein Desinteresse rundheraus verdächtig.
    Wie bist du bloß in diese Scheiße hier hineingeraten?, fragte ich mich und wollte mir ein bisschen Leid tun. Gleichzeitig war mir unbehaglich, fühlte sich Wassilijs Kabine an wie eine Sackgasse, eine Falle, deshalb verschob ich Alpdrücke und Selbstmitleid auf später und hielt mich an das, was zu tun war.
    Wieder tippte ich mich durch den Wust von Passwörtern und Eingabefeldern, wieder betrachtete ich mit rasender Ungeduld und tödlicher Mattigkeit die Sanduhr, während sich am unteren Bildrand ein leeres kleines Kästchen nach dem anderen zu einem Streifen kleiner blauer Quadrate vervollständigte, wieder schaffte ich es bis ins Allerheiligste von »Ginza-Titanium«, wieder rief ich die Kundenkartei auf, wieder wurde ich unterbrochen.
    Ein jähes Knirschen, ein Krachen und die Tür flog auf und Gorilla-San wälzte sich in den Raum wie ein Tsunami in ein Fischerdorf.
    Woher, fragte ich mich, während ich mich mitsamt Stuhl nach hinten stieß und Gorilla-Sans enthusiastischer Hieb mit dem Brecheisen fürs Erste nur etwas oben auf dem Schreibtisch zermalmte und nicht etwa etwas ungleich schwerer zu Ersetzendes oben auf meinen Schultern, woher weiß der Kerl, dass ich hier bin?
    Ich stieß den Stuhl nach hinten um und rollte mich ab, wie man es nur in solchen Augenblicken hinbekommt, und begriff plötzlich, in heilloser Panik bei gleichzeitiger unerklärlicher Klarheit, dass das Öffnen des Ginza-Ordners gescannt und von Votix zum Ursprungsrechner zurückverfolgt wurde. Das war es, was Wassilij und auch Fjodr den Kopf gekostet hatte, dachte ich, rollte mich auch unter dem nächsten Hieb weg und sprang auf die Beine und aus der Kabine und riss die Tür zu und …
    Die Tür flog wieder auf, und ich wollte am liebsten »Moment!« schreien, war ich doch noch nicht mal halb durch mit meiner Lektüre. Scheiße, Sicherungsstift abziehen, Schlauch aus der Halterung nehmen und …
    Ein Klänggg schepperte den engen Gang entlang, als Gorilla-San sein Brecheisen im Aufwärtsschwung an einer Rohrleitung anschlug, und dann hatte ich den Schlauch gepackt und den Griff gedrückt, und der riesige Japaner musste die Arme vors Gesicht nehmen, taumelte zurück in die Kabine und knallte die Tür zu, und kaum dass es losgelegt hatte, gab das Mistding von Feuerlöscher in meiner Hand nur noch ein Röcheln von sich und dann gar nichts mehr.
    Es können nur Sekunden gewesen sein, bis die Kabinentür wieder aufgerissen wurde und Gorilla-San heraustrat, in der einen Hand sein Eisen, mit der anderen, weiß behandschuht wie die erste, Löschschaum von seinem schwarzen Anzug bürstend. Mit ausdrucksloser Miene sah er den Gang rauf, den Gang runter. Senkte den Blick hinab auf den Schaumteppich. Suchte nach Fußspuren. Fand welche. Sie wiesen nach achtern.
    Geh! Nun geh schon!, forderte ich ihn auf, ja flehte ich ihn an, doch er zögerte instinktiv, ganz der Jäger, und dann presste mir der Umstand, dass es sich bei dem rechten der beiden Rohre, in die ich mich mit je einer Hand und einem Fuß verkeilt hatte, um eine Heißwasserleitung handelte - und wenn sie auf einem Luxus-Kreuzfahrtschiff »HEISS« auf einen Hahn

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