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Equinox

Equinox

Titel: Equinox Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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doch nur zwei davon belegt. Eins mit der Berlinerin, die auf dem Rücken lag und schnarchte, das andere, ein Raum weiter, mit dem Engländer breitbeinig an der Bettkante, damit eine Schwester ihm den Verband ums Gemächt wechseln konnte. Keine Spur von Elena, nirgendwo in der ganzen Krankenstation.
    Ich sah auf die Uhr. Bis zum Maschinenraum war es für Gundolf in fünf Minuten zu schaffen. Dann einfach »plus fünf Minuten zurück« dazuzuaddieren wäre allerdings Wahnsinn gewesen. Nein, wie viel Zeit mir zusätzlich zu den fünf Minuten Hinweg blieb, hing von dem schwer zu schätzenden Faktor ab, wie schlicht der Schlichte Gundolf wirklich war.
    Aus einer Laune heraus zappte ich mich zu »B-Deck, Außen, Steuerbord«.
    Und Köthensieker lehnte an der Reling, umwabert von Dunst, lauschte geduldig nickend dem langatmigen Lamento einer Geschiedenen mit Turmfrisur. Geduldig nickend und nur mit halbem Ohr, denn er ließ die ganze Zeit unsere Kabinentür nicht aus den Augen, bis sie von innen geöffnet wurde und Gorilla-San herauskam, mit gesenktem Kinn sachte den Kopf schüttelte, mit weißen Handschuhen seine Sonnenbrille zurechtrückte und sich dann unauffällig verzog.
    Rasante Rekonvaleszenz für einen Blinddarmdurchbruch, wie ich fand. Und eine verblüffende Heimkehr an Bord. Umso verblüffender, als dass niemand etwas davon mitgekriegt hatte. Wozu, wenn ihm nichts fehlte, dann das ganze Theater mit Maschinenstopp und Ausschiffung per Schlauchboot auf den … japanischen … Trawler?
    Ich folgte ihm Kamera für Kamera, bis er eine der Türen zum Personaltrakt aufzog und aus dem Bild stieg.
    Dann zappte ich zurück, gerade noch rechtzeitig, um Bordarzt Köthensieker und Chefkoch Masimoto sich voneinander verabschieden und in zwei verschiedene Richtungen aufbrechen zu sehen, beide wachen, suchenden Blickes.
    Wonach auch immer sie Ausschau hielten, es musste verdammt wichtig sein, um Masimoto von der Beaufsichtigung seiner vier mit Hochdruck arbeitenden Pantrys wegzulocken.
    Und plötzlich begann ich mich nackt zu fühlen in meiner bescheuerten Koch-Montur.
     
    Vom Printemps gab es nur die Bilder einer einzigen Kamera im direkten Eingangsbereich. Der Rest des Fresstempels hüllte sich in Diskretion.
    Die Uhr tickte und der Sitz unter mir wurde heiß. Hastig zappte und zappte ich, ohne recht zu wissen, wonach ich suchte - abgesehen von der zierlichen Gestalt der Supermarkt-Kassiererin mit den furchtsamen schwarzen Augen.
    Die fünf Minuten waren schon längst um, doch ich fand und fand kein Ende, allem Risiko des Entdecktwerdens zum Trotz. Ich drückte mich von Kanal zu Kanal hoch, bis ich bei der Eins landete - der Mall.
    Alle Vitrinen, alle Topfpflanzen, alle Ruhebänke und selbst die Springbrunnen waren weggeräumt worden, um Platz zu schaffen für Reihe auf Reihe halbkreisförmig angeordneter und weiß eingedeckter Tische, allesamt ausgerichtet auf eine aus Fertigteilen montierte Bühne, an deren Dekoration und in deren Beleuchtungsgerüst noch vielleicht zwanzig Mann von der Overall-Fraktion herumwerkelten.
    Ich wollte gerade dem Drängen meines Nervenkostüms nachgeben und mich endlich verziehen, als ich durch Zufall auf eine Kamera schaltete, die die Längsseite der Mall ins Visier nahm, mit den Glasfronten der Boutiquen und den verschiedenen Ein- und Ausgängen zu den Außendecks und Treppenhäusern. Was mich noch einen weiteren Moment auf dem heißen Sitz ausharren ließ, war der Anblick von Antonov, umgeben von seiner Truppe minus, wie es aussah, Gundolf, noch. Antonov schritt von Eingang zu Eingang, pappte an jede Tür ein Stück beschriftetes Klebeband, sprach jedes Mal kurz und knapp mit einem anderen aus dem Trupp, gab gestenreich Anweisungen, was Standort und Blickrichtung anging, und hastete dann, auf dem Fuß gefolgt von seinem muskulösen Hühnerhaufen, weiter. Als er ohne erkennbaren Grund abrupt stoppte, sein tragbares Funkgerät ans Ohr hob, lauschte und dann, nach kurzem, reihum fahndendem Blick, haargenau und mit sich wütend verengenden Augen in die Kamera stierte und damit, wie es scheinen wollte, mir voll ins Gesicht, ging mir auf, dass es allerhöchste Zeit für einen Standortwechsel war.
     
    »Pierre Bocuse«, stellte ich mich vor, ganz Schmelz und Timbre, »Neffe von die berühmte Maitre. Monsieur Masimoto ‘at misch ’ier ‘eraufbeordert, eine wenig auszü’elfen in die cuisine von die >Printemps<.« Und ich zog mir die Kochmütze keck über ein Auge und zwinkerte der Rezeptionistin

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