Equinox
hielt still, während Ratso mir mit dem Daumen Altöl um die Augen schmierte. »Irgendwas, womit ich mich ins Bordsystem loggen kann.«
Richard E. Scott war lächelnd gestorben, doch machte ihn das nicht weniger tot. Und obwohl er so hin war wie nur je eine von mir gesichtete Leiche, bestand Tochter Heather natürlich auf Reanimation mit diesen so wunderbar telegenen Elektropaddeln und der ganzen übrigen Show, was bei der gegebenen Sachlage meiner PC-Recherche natürlich ein jähes Ende setzte.
»Oh, oh«, machte Ratso automatisch und reichte mir eine gebrauchte Baseballkappe, »das wird schwierig.«
Ich ignorierte den Einwand. Das Innenfutter der Kappe sah aus, als ob es jemand mit einer Speckschwarte abgerieben hätte. Zweimal täglich und das die letzten fünf Jahre lang. Ratso beendete mein Altöl-Make-up, nahm mir die Kappe aus zögernden Fingern und setzte sie mir auf, falsch rum. Er nickte zufrieden. »Was wolltest du denn anlegen?«, fragte er interessehalber und reichte mir einen Mechaniker-Overall, über dessen korrekte Bezeichnung wir uns gerade schon gestritten hatten.
»Gar nix«, antwortete ich. Ich hatte »siffig« vorgeschlagen, doch Ratso hatte auf »authentisch« beharrt.
»Gar nix ist ein bisschen wenig«, fand Ratso und half mir in den verölten Lumpen. »Kristof, ich will ehrlich mit dir sein. Meine Wettkunden könnten biestig mit mir werden, wenn sie erfahren, dass ich dir helfe. Und nicht nur die. Gerüchte besagen, es ist so was wie ein Kopfgeld auf dich ausgesetzt worden. Das ist so ein Fakt, der die Frage aufwirft, ob ich es mir überhaupt leisten kann, weitere Wetten gegen dich anzunehmen. Obwohl bei deiner momentanen Quote eh kaum noch jemand einsteigt. Und dazu kommt, dass mich alle meine bisherigen Erfahrungen gelehrt haben, mich beizeiten auf die Seite der Gewinner zu schlagen. Ich denke, du nimmst mir das nicht krumm?«
»Ein stinknormales Notebook«, sagte ich. »Hauptsache, das Ding funktioniert.«
»Du verstehst nicht«, begann Ratso, doch ich schnitt ihm das Wort ab.
»Nein«, korrigierte ich ihn, »du verstehst nicht.«
Im ersten Augenblick hatte ich selbstverständlich gedacht, der Texaner wäre ermordet worden. Schließlich hatte er ja von allen Ginza-Geschädigten den größten Radau geschlagen und noch mehr von der Sorte angekündigt. Doch schon die erste hastige Befragung Heathers hatte eine etwas andere Lage der Dinge ans Licht gebracht. Heather hatte, ganz treu sorgende Tochter, ihrem Daddy ein paar Pröbchen vom Kochkurs mitgebracht. Den einen oder anderen Keks, etwas Wackelpudding, und auch ein Portiönchen Chili mit sehr viel von »die ffomage« hatte sie ihm voller Stolz aufgewärmt. Richard hatte »euphorisch« reagiert. Und sich anschließend »ein Stündchen Ruhe« erbeten.
Ich konnte mir nicht vorstellen, dass das Resultat dieses Stündchens Ruhe noch nicht bis hier unten vorgedrungen sein sollte.
Richard E. Scott war nackt gestorben, in seinem Bett, mit einem Lächeln auf den Lippen und zwei großen blauen Flecken etwas unterhalb und links und rechts seiner Rippen.
»Kristof, wir sind hier auf See. Da herrschen andere Regeln. Da gibt es kein Ausweichen, kein Weglaufen. Und du bist dabei, so was wie ein Meuterer zu werden. Wer dich unterstützt, macht sich mitschuldig. Nimm den Overall, nimm die Mütze, da kann ich nachher immer noch behaupten, du hättest die Sachen irgendwo gefunden. Geb ich dir aber ein Notebook, und du baust da Scheiße mit, und so, wie du mich jetzt ansiehst, muss ich davon ausgehen, dass du damit Scheiße baust und …«
»Suite 115«, unterbrach ich ihn. »B-Deck. Läutet da ein Glöckchen?«
Ich zippte den Reißverschluss zu, etwas schlug gegen mein Bein und ich zog einen grundsoliden, zangenförmigen, verstellbaren Schraubenschlüssel ans Licht. Dann betrachtete ich mich im Spiegel von Ratsos Kabine, gar nicht einfach zwischen all den bis unter die Decke reichenden Stapeln von Kartons. Mal abgesehen von der Tatsache, dass ich zweimal hineingepasst hätte in diesen öligen Sack von Overall, sah ich aus, als wäre ich mit dem Schraubenschlüssel in der Hand zur Welt gekommen. Authentisch, in Ratsos Worten.
Ich drehte mich etwas zur Seite, bis ich sein Mienenspiel im Spiegel betrachten konnte. Er blickte verdrießlich.
»Detektiv, wa?« Und er bückte sich unter seine Koje, zog einen silbergrauen Laptop hervor, klappte ihn auf und begann, mir die Funktionsweise zu erklären.
»Weißer Kittel und dann diese Schenkel«, hatte
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