Er ist der Freund meiner Freundin: Roman (German Edition)
anzufangen, wenn man dem Freund der besten Freundin in deren Wohnungsflur begegnet.
Nach einer Weile überlasse ich Tilde und Fredrik wieder sich selbst und spaziere weiter am Wasser entlang. Irgendwann krame ich mein Handy aus der Tasche, um nachzusehen, ob ich vielleicht eine Nachricht von Markus verpasst habe, aber es ist nichts gekommen. Wahrscheinlich schläft er heute bis in die Puppen, wenn die beiden gestern so über die Stränge geschlagen haben. Irgendwie schon komisch, dass er mit Bekannten feiert, die ich nicht kenne, seine Experimente mit Drogen und seine Besuche irgendwelcher Nobelnachtclubs. Als wäre neben dem Markus, den ich so gut kenne, unbemerkt ein neuer Markus herangereift. Ein Parallelwesen mit ganz anderen Gewohnheiten und Prioritäten. Denn der Markus, der vorgestern auf meinem Sofa gesessen, eine Pizza mit mir geteilt und einen Film mit mir angeschaut hat, kann ja wohl kaum der gleiche sein, der gestern Abend an der Schlange vorbei ins Styx gelassen wurde? Ich lache leise. Doch, warum nicht. Markus ist neugierig, lebenslustig und experimentierfreudig. Zusammen mit mir kann er diese Eigenschaften nicht wirklich ausleben, weil ich ein Gewohnheitstier bin, vorsichtig und generell eher langweilig. Wen wundert es da, wenn er die Chance ergreift, in Sofis Gesellschaft etwas flippigere Dinge zu erleben.
Als ich das Ende des Videbergsparks erreiche, habe ich für heute genug von pittoresken Sommerfamilien und beschließe, durch die Stadt nach Hause zu spazieren. Das Miranda ist dunkel und geschlossen. Obwohl nur wenige Geschäfte sonntags geöffnet haben, ist doch der eine oder andere Kauflustige unterwegs. Vielleicht würde es sich ja tatsächlich lohnen, sonntags zu öffnen. Beim Grillimbiss wirft ein Junge seine ganze Wurst den Dohlen hin und kriegt einen Anpfiff von seinem Vater, der noch nicht einmal das Portemonnaie wieder eingesteckt hat. Neben dem Eingang zu H&M sitzt ein Mann mit dunklen, grau melierten Haaren und einer abgewetzten Pappschachtel vor sich. Auf der Schachtel steht etwas, aber die Farbe ist so verlaufen, dass man den Text nicht mehr erkennen kann. Trotzdem liegen auf dem Boden der Schachtel ein paar Münzen. Der Mann stiert mit leerem Blick vor sich hin und scheint die Passanten gar nicht wahrzunehmen, obgleich er doch auf ihr Kleingeld hofft. Die Bartstoppeln sind schwarz und unregelmäßig gewachsen. Ich würde ihn gerne fotografieren, aber das ist mir unangenehm. Besonders weil ich im Moment noch nicht mal ein paar Münzen für ihn übrig hätte.
Merkwürdig, wie viel mehr ich wahrnehme, wenn ich die Kamera dabeihabe. Ich sehe plötzlich Details und einzelne Menschen. Plötzlich besteht die Welt aus lauter potentiellen Fotomotiven. MyWorld.jpeg. Ich fände es schon toll, irgendwann mal professionell zu fotografieren, für eine Zeitschrift oder so.
Ich beschließe, mich zu erkundigen, ob es eine Halbtagsausbildung im Fotobereich gibt. Mama würde sich bestimmt über jedes noch so kleine Zeichen von Zukunftsplanung freuen.
Zurück in der Wohnung, schalte ich als Erstes den Computer ein und starte Outlook Express. Eine kurze Mail von Adrian ist gekommen.
Msn heute Abend? /A
Der Sodastreamer sprudelt wieder Kohlensäure in meinen Blutkreislauf. Freudebritzel und Panik. Ich wollte doch nicht! Das ist so total sinnlos und unnötig und bescheuert. Und hinterhältig und gemein obendrein.
Klar. /E
Der Cursor saust über den Bildschirm, bleibt auf »Senden« stehen, und mein Zeigefinger macht die Tippbewegung, ohne mich vorher um Erlaubnis zu fragen.
Shit!
Ich fahre von meinem Schreibtischstuhl hoch und tigere rastlos und unruhig durch die Wohnung. Schaffe ich es nicht einmal, die einfachsten und fundamentalsten Versprechen zu halten?
Ich muss mit Markus reden. Er muss sofort herkommen und mich beruhigen.
Aber als ich den Hörer abnehme, zögere ich kurz, bevor ich die Kurzwahltaste drücke. Welcher Markus wird mir antworten?
Ich schüttele den Kopf. Das ist doch albern! Natürlich mein Markus. Der mit vierzehn Jahren ein Graffiti gemalt hat, in der Neunten ein paarmal Hasch geraucht hat und jetzt ein bisschen weißes Pulver probiert. Der alles teilt, ohne zu zögern, den Tierschutzverein unterstützt, Schinkenpizza isst, sich schräge Klamotten näht und mit dem gleichen Pathos die Lehren der Philosophen diskutiert.
»Hm, hallo …«
Die Stimme am anderen Ende klingt verschlafen.
»Schläfst du noch ?«
»Ist gestern spät geworden …«
»War’s
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