Er ist der Freund meiner Freundin: Roman (German Edition)
bin, aber trotzdem. Aber ich werde ihn wohl nicht mehr zu jeder Tages- und Nachtzeit anrufen können. Es wäre mir schon peinlich anzuklingeln, wenn Sofi gerade in seinem Arm schläft. Aber wie oft braucht man seine Freunde schon mitten in der Nacht?
Das Timing ist nur etwas ungeschickt.
Im Moment habe ich nämlich einen extremen Bedarf an Markus. Er ist der Einzige, mit dem ich über Adrian reden kann. Also, Adrian und mich. Aber was fasele ich da eigentlich? »Adrian und ich« gibt es nicht. Hat es nie gegeben und wird es auch nie geben.
»Emmis, kannst du mir die Haare schneiden?«, fragt er. »Richtig, meine ich, nicht nur die Spitzen wie sonst.«
»Wie bitte, willst du die Haare jetzt kurz tragen?«
»Dachte ich.«
»Du wirst komplett anders aussehen.«
Markus grinst. »Das ist ja grad das Gute, ganz anders auszusehen.« Er hebt das schulterlange Haar hoch und demonstriert mir, was er sich vorstellt. »Auf der einen Seite richtig kurz und auf der anderen … etwas länger und gestuft. Ein bisschen rockig, eben. Kannst du das?«
»Keine Ahnung.«
Sofi streckt sich und streicht sein Haar auf eine Seite und den struppigen Pony in die Stirn.
»Ich könnte das vielleicht«, sagt sie. »Ich schneide meiner Schwester auch immer die Haare.«
Markus wirft mir einen hastigen Blick zu, als wolle er meine Zustimmung. Ich nicke leicht. Wenn Sofi es kann und seine Haare schneiden will, überlass ich das gerne ihr. Immerhin hat er mich zuerst gefragt. Ich beiße mir leicht auf die Unterlippe, wie als Strafe, dass ich überhaupt einen Gedanken daran verschwende.
»Wehe, du hast Verschnitt auf dem Kopf, wenn ich dich das nächste Mal treffe«, sage ich.
Sofi sieht mich beleidigt an.
»Ich kann gut Haare schneiden«, sagt sie. »Wollte früher Friseurin werden, aber Mama hat mich überredet, den sozialen Zweig einzuschlagen.«
Ich lächle beschwichtigend. »Ich meinte auch nur, dass er komplett anders aussehen wird. Ich habe Markus schon in einer Million unterschiedlicher Klamotten gesehen, aber noch nie mit einer anderen Frisur. Ich bin sicher, dass du das toll machst.«
»Heute?«, fragt Markus voller Feuereifer. »Bei dir zu Hause?«
»Klar«, sagt Sofi mit einem kurzen, triumphierenden Blick in meine Richtung.
Dieser Blick ärgert mich ein bisschen. Schließlich habe ich die beiden zusammengebracht. Oder ihnen zumindest auf den Weg geholfen. Da muss sie ja wohl nicht so tun, als wenn sie ihn mir ausgespannt hätte.
Merkwürdig, wie Beziehungen sich verändern. Innerhalb einer Woche hat sich so vieles verschoben, hat so manches eine neue Form, neue Inhalte bekommen. Da denkt man, man weiß, wo man alle und alles einsortiert hat, ordentlich im Innern in kleine Schächtelchen verpackt, und mit einer unvorsichtigen Bewegung fliegen alle Schachteln mitsamt Inhalt durcheinander. Kein Wunder, wenn man sich da etwas verwirrt vorkommt.
Aber glücklicherweise ist Markus Markus, und es gelingt ihm, mich zu beruhigen. Als hätte er spezielle Fühler für meine innere Unruhe, gibt er mir bei der nächsten Gelegenheit eine beruhigende Injektion. Als Sofi in die Küche geht, um zwei Ciabatta-Brote in den Sandwich-Grill zu legen, streicht er mit dem Zeigefinger über meinen Handrücken und sieht mich mit seinen vertrauten, marineblauen Augen an.
»Du und ich, das gilt für immer, Emmis«, sagt er. »Das wird sich niemals ändern, das weißt du.«
Überrascht stelle ich fest, dass in meinen Augenwinkeln ein paar alberne Tränen brennen. Ich blinzele, lächele und nicke.
»Danke«, sage ich. »Du hoffentlich auch!«
Als ich die Tür aufmache, merke ich, dass ich verrückt werde, wenn ich wieder den ganzen Abend in der Wohnung rumtigere und den Computer anstarre, also rufe ich Rosie an und verabrede mich mit ihr im La Bella Donna, wo wir uns eine Africana teilen. Rosie trägt eine lange Bluse und hat sich einen passenden, dünnen Seidenschal um den Kopf gewunden.
»Glaubst du wirklich, Gott schert es, ob man einen Stofffetzen auf dem Kopf hat oder nicht?«, sage ich, als wir fertig sind und vor unserer Cola sitzen.
Rosie lacht. Sie ist das Gerede wegen ihrer Verschleierung gewohnt. Trägt sie ein Kopftuch, provozieren wir sie mit unseren Fragen, trägt sie keines, fragen wir genauso danach.
»Unglaublich, dass ihr euch so an einem Kleidungsstück stören könnt«, sagt sie. »Woher soll ich wissen, ob es Gott schert? Vielleicht gibt es ihn ja gar nicht. Deswegen kann ich mein Hijab ja trotzdem sicherheitshalber
Weitere Kostenlose Bücher