Er ist der Freund meiner Freundin: Roman (German Edition)
informiert bin, hat er keine größeren Reserven, auf die er zurückgreifen kann. Ich wähle seine Nummer, um ihn zu fragen.
»Was? Ja«, antwortet er verwirrt. »Warum fragst du mich jetzt danach?«
»Entschuldige. Hast du geschlafen?«
»Njein, nicht wirklich … nur ein bisschen gedöst. Hm. Ist was passiert?«
Ich zögere einen Moment, möchte Papa nicht unnötig beunruhigen.
»Ich hab nur überlegt, ob er wohl genügend zusammengekriegt hat, um seine Schulden zurückzuzahlen. Wie viel hast du ihm geliehen?«
»Zwölftausend … So viel bräuchte er, hat er gesagt, und ich fand, dass ich ihm die schlecht verweigern konnte. Schließlich hast du ja die Kamera bekommen …«
Zwölftausend! Das war die Summe, die er insgesamt schuldig war. Jedenfalls hat er mir das erzählt. Und von mir hat er dreitausend geliehen. Jetzt keimt die Unruhe, die Mama in mir gesät hat, und ich fange auch an, mir ernsthaft Sorgen zu machen. Was hat der Bursche am Laufen?
»Ich wusste ja gar nicht, dass du so viel Geld in deiner Matratze versteckt hast«, sage ich zu Papa.
»Hab ich auch nicht. Ich musste einen Kredit aufnehmen. Ich wollte halt gerecht sein.«
Ich sage nichts von dem Gespräch mit Mama, wünsche ihm eine gute Nacht und rufe sie noch mal an. Überlege, wie ich es formulieren kann, ohne Edwin anzuschwärzen.
»Hatte er Geld dabei?«, frage ich, als sie abnimmt.
»Bitte?«
»Als er zu seinen Freunden gefahren ist?«
»Ja, das weiß ich zufällig. Er meinte, er sei pleite, also hab ich ihm fünfhundert Kronen gegeben. Mehr wollte ich ihm nicht geben, weil er erst ein paar Tage vorher Geld für Kleider von mir bekommen hat. Als ob der Junge nicht genug davon im Schrank hätte! Aber in dem Alter sind sie ja so sensibel.«
»Wie viel hast du ihm für die Klamotten gegeben?«
»Fünftausend. Das ist schon viel, aber … na ja, das hab ich ihm jedenfalls gegeben. Das sollte dann aber auch der letzte Beitrag zu seinem Kleiderkonto in diesem Jahr sein. Fühlst du dich benachteiligt? Brauchst du auch Geld?«
»Nein, nein«, beeile ich mich zu sagen. »Nein, mein Gehalt kommt demnächst.«
Edwin hat also letzte Woche zwanzigtausend Kronen zusammengerafft, nur innerhalb der Familie. Und wer weiß, vielleicht hat er sich von anderen ja auch noch was geliehen. Sind seine Schulden höher, als er es mir gesagt hat? Oder was macht er sonst mit dem Geld?
Mein Handy piepst, und ich bitte Mama, einen Augenblick zu warten.
Hi, Schwesterherz! Alles paletti. Bin in Malmö u komme wohl Mi zurück. Grüß Mama.
»Er hat auf meine Nachricht geantwortet«, sage ich. »Aus Malmö.«
»Was macht er denn in Malmö!«, ruft Mama in den Hörer.
»Das weiß ich doch nicht, da musst du ihn schon selber fragen!«
»Ja, ja«, seufzt sie.
»Er schreibt, dass er wohl am Mittwoch zurückkommt.«
»Wohl?«
»Das steht da.«
Mama seufzt wieder. »Tja, wir werden sehen. Ich versuche, ihn anzurufen.«
»Tu das. Gute Nacht.«
»Gute Nacht, Schatz. Und danke.«
Wahnsinn.
Mehrere Minuten nicht an Adrian gedacht. Kaum jedenfalls. Zweifellos ein Fortschritt.
Aber als ich mich ausgezogen habe und im Bett liege, ist er mindestens genauso gegenwärtig wie vorher. Die Worte auf dem Bildschirm, sein Blick im Schatten unter den Bäumen am Badeplatz. Seine Hand, die meine gehalten hat, der Fahrtwind und sein Körper, so nah.
Wir können uns nicht weiter abends im Netz treffen. Sonst kann ich nie wieder schlafen. Man kann nicht schlafen mit einem Gefühlstornado im Körper. Ein wild rotierender, pfeifender Wirbel aus Sehnsucht.
Wie eine zusätzliche Erinnerung an meinen Verrat und eine kräftige Prise Salz in meine Gewissenswunde taucht Ellinor am Dienstagvormittag im Miranda auf. Es ist warm draußen und sie hat das Haar in einem lockeren Knoten hochgesteckt und sieht klasse aus in ihrer hellen Jeans und dem kurzen, weißen Baumwolltop. Mein Magen dreht sich vor Scham fast um, als ich mir ein Lächeln abringe.
»Hallo. Lust auf einen Kaffee?«
Sie lächelt zurück. »Ich hatte grad nichts vor, und da dachte ich, ich komm mal vorbei. Scheint ruhig zu sein.«
Ich schaue durch das Lokal. Nur wenige Tische sind besetzt. Sofi steht hinter der Glastheke und drapiert die Lunch-Sandwiches, die ich gerade belegt habe.
»Wir können uns was mit in den Personalraum nehmen, wenn du magst«, sage ich. »Kaffee?«
»Lieber so einen indischen Tee. Ist Karim da?«
»Er kommt in einer halben Stunde.«
Ellinor nickt und ich mache uns zwei große
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