Er ist der Freund meiner Freundin: Roman (German Edition)
aufstehen und sich unter Menschen begeben kann.
Ich schlafe nicht, liege in einer Art erschöpftem Dämmerzustand da und lasse Bilder und Stimmen in meinem Kopf Revue passieren.
Ellinor. Ihre blonden Haare und ihr Lachen. Wie kann ich ihr jemals wieder in die Augen sehen?
Adrians braungrüne Iris. Wie soll ich mich jemals wieder von meiner Sehnsucht befreien? Oder zumindest lernen, sie zu ertragen, mich einigermaßen aufrecht unter ihrem Gewicht zu halten?
Mama, du hast so viel Wert darauf gelegt, mir alles Lebenswichtige beizubringen, aber das gehört nicht dazu.
Markus! Ich bleib hier liegen, bis du kommst und mir wieder auf die Beine hilfst! Hörst du das?
Ich weiß nicht, wie viele Stunden vergangen sind, als das Klingeln der Türglocke durch die Wohnung hallt. Meine Beine sind warm, werden von der Sonne beschienen, deren Strahlen durch das große Fenster neben der Flurtür fallen. Das tun sie erst, wenn ich von der Arbeit nach Hause komme. Ich bleibe im Bett liegen und versuche zu entscheiden, ob ich die Augen aufmachen, aufstehen und durch den Spion gucken soll. Als ich das letzte Mal die Tür geöffnet habe, ist mein Leben auf den Kopf gestellt, ein neuer Meilenstein in den Boden gerammt worden. Zum Beweis, dass ich nicht die bin, die ich zu sein glaubte. Ich hätte nie gedacht, dass ich mal mit dem Freund meiner besten Freundin schlafen würde. Absolut nicht. Niemals.
Es klingelt wieder. Und gleich noch einmal. Markus? Vielleicht hat er ja versucht, mich zu erreichen, und macht sich Sorgen.
Ich quäle mich aus dem Bett, wickele mich fest in meinen Bademantel ein und gehe zur Tür, was mich unendlich viel Kraft kostet. Ich mache mir nicht einmal die Mühe nachzusehen, wer draußen steht, ziehe einfach die Tür auf. Aber auch dieses Mal ist es nicht Markus. Edwin steht draußen. Mit zerzausten Haaren und hohläugig, als hätte er mehrere Nächte durchgemacht.
»Hi, Schwesterherz«, sagt er. »Schön, dass du zu Hause bist.«
Ich trete einen Schritt zur Seite und lasse ihn herein.
»Ist was passiert?«
»Was? Nein, ich bin einfach nur tierisch müde. Kann ich ein paar Stunden bei dir schlafen, ehe ich bei Mama erscheine?«
»Kommst du direkt aus Malmö?«
Er nickt und wühlt suchend in der Innentasche seines Jackets. Nach einer Weile scheint er fündig geworden zu sein und zieht ein paar Fünfhundertkronenscheine heraus. Er zählt nach und legt noch einen drauf, ehe er mir das Geld reicht.
»Dein Geld. Danke fürs Leihen.«
Ich nehme die Scheine, während sich eine vage Unruhe in mir breitmacht.
»Wo hast du das her?«
»Bin günstig an ein paar Sachen gekommen und hab sie teuer wieder verkauft.«
Edwin sieht sich in meiner Wohnung um, streift sich die Schuhe ab, wirft das Jacket auf den Couchtisch und legt sich rücklings aufs Sofa.
»Hast du was gegessen?«
»Lass uns später reden«, murmelt er. »Ich bin so verflucht müde …«
Ich bleibe kurz mitten im Raum stehen, aber dann gehe ich auch zurück ins Bett. Mir ist schon klar, dass ich mich damit befassen muss. Hier stimmt ganz eindeutig was nicht. Aber ich bin auch müde. Müde und verwirrt. Ich bin nicht in der Lage, wach zu sein und gleichzeitig zu denken.
Aber kaum liege ich im Bett und alles ist wieder still, fange ich an zu grübeln. Edwins Anwesenheit macht sich bemerkbar, zu zweit ist die Stille eine ganz andere.
Er scheint das Wochenende durchgemacht zu haben. Ein Siebzehnjähriger mit seinen Kumpels in Malmö. Das ist wahrscheinlich nicht weiter außergewöhnlich. Aber das mit dem Geld schon. So genau hab ich es nicht sehen können, aber da schien noch eine Menge mehr Geld in der Tasche zu stecken.
Nach einer Weile gewinnt die Neugier überhand. Ich setze mich im Bett auf. Edwin liegt mit halb offenem Mund und geschlossenen Augen da. Ein Arm hängt über der Sofakante, die Finger berühren fast meinen Teppich. Sein Gesicht ist immer noch sonnengebräunt, aber die Haut unter dem Haaransatz ist weiß, genau wie die dünne Haut an der Innenseite seines Handgelenks. Er scheint tief zu schlafen. Das Jacket liegt mit der Innenseite nach außen auf dem Couchtisch und die sieht in der Tat gut gefüllt aus. Ich schaue zu den Scheinen auf meinem Nachttisch und dann wieder auf die Beule in dem grauen Innenfutter.
Offensichtlich bin ich nicht nur eine, die mit dem Freund ihrer besten Freundin schläft, sondern auch eine, die in den Klamotten ihres kleinen Bruders herumschnüffelt, während er schläft.
Ja, so eine bin ich.
Ich
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