Er ist der Freund meiner Freundin: Roman (German Edition)
unter meine Decke.
Diesmal schlafe ich fest ein.
Als ich aufwache, ist es dunkel draußen. Verschlafen drehe ich den Kopf zur Seite und schaue auf die bleichgrünen Ziffern des Radioweckers. 01:41. Es dauert eine Minute, bis mir Edwin wieder einfällt. Ich knipse die Nachttischlampe an.
Er liegt noch immer auf dem Sofa, aber jetzt auf der Seite und schläft mit halb offenem Mund. Mist, Mama hat ihn gestern zu Hause erwartet! Sie dürfte sich inzwischen in Auflösung befinden. Immerhin hat er »wohl« geschrieben. Komme wohl Mittwoch nach Hause, hat er geschrieben. Daran erinnert sie sich hoffentlich.
Am liebsten würde ich ihn auf der Stelle wecken und mit Fragen bombardieren. Aber wie viel Sinn macht das jetzt mitten in der Nacht? Vielleicht sollten wir beide erst einmal gründlich ausschlafen.
In ein paar Stunden werde ich mich zusammenreißen.
In ein paar Stunden werde ich aufstehen und duschen, Frühstück machen, meinen kleinen Bruder wecken und herausfinden, was er eigentlich treibt, und dann werde ich ins Miranda gehen und Latte und Zimtschnecken servieren und freundlich lächeln.
In ein paar Stunden.
Aber nicht jetzt.
Ich mache das Licht aus, rolle mich wie ein Embryo zusammen und ziehe die Decke über die Schultern. Einschlafen kann ich nicht, aber nach einer Weile tritt wieder dieser merkwürdige Dämmerzustand ein.
Flucht vor der Realität.
Als der Kaffee durchgelaufen ist und Brot und Aufstrich auf dem Tisch stehen, wecke ich Edwin. Er brummt übellaunig und will weiterschlafen, aber ich bleibe hart und schicke ihn ins Badezimmer. Nach ein paar Minuten ist er wieder da. Die Haare in der Stirn sind nass, und er sieht etwas wacher aus, als er sich an den Frühstückstisch setzt.
»Warum müssen wir so früh aufstehen?«
»Weil ich arbeiten muss«, sage ich. »Das ist so bei Erwachsenen. Und du solltest nach Hause, ehe Mama vor Sorge vergeht. Was hast du in Malmö gemacht?«
»Mich mit Freunden getroffen.«
»Ich wusste gar nicht, dass du da Freunde hast.«
»Hab ich aber.«
»Kaufen und verkaufen die auch Sachen?«
Edwin sieht mich einen Augenblick fragend an, dann zuckt er mit den Schultern, nimmt sich eine Brotscheibe und verteilt Margarine darauf.
»Emils Alter ist reich«, sagt er, »der muss nichts verkaufen. Verdammt, der Typ weiß, wie man Spaß hat!«
Er lacht. »Oioioi, also echt … Aber es ist ganz schön kostspielig, mit denen mitzuhalten. Du wärst voll schockiert!«
Ich mustere meinen kleinen Bruder skeptisch und warte auf eine Fortsetzung, die nicht kommt. Was kann ich eigentlich fragen, ohne mich zu verraten, dass ich in seiner Jackentasche geschnüffelt habe?
»Was für ein Glück, dass du genügend Geld zusammengekriegt hast, um dort mitzuhalten und deine Schulden bei mir zu begleichen«, sage ich heimtückisch.
Edwin nickt.
»Ich hab einem Typen hier in der Stadt ein paar Sachen abgekauft, saubillig, weil er schnell Geld brauchte, und die hab ich dann in Malmö verschachert. Clever, was?«
»Und was waren das für Sachen ?«
»Alles Mögliche … Hast du keine Leberwurst?«
Ich schüttele den Kopf. »Dass ich das nicht gut finde, weißt du, oder?«
Edwin zuckt wieder mit den Schultern. Es kommt mir vor, als wäre er dünn geworden. Geht das in einer Woche? Ich fühle mich auch so schon ausreichend mütterlich, ohne dass ich mich erkundige, ob er auch ordentlich isst, darum sage ich nichts.
Im Grunde genommen habe ich keine einzige konkrete Information aus ihm herausbekommen, als ich mich aufs Fahrrad schwinge, damit ich pünktlich zur Arbeit komme. Edwin will noch duschen und verspricht, die Tür ordentlich hinter sich zuzuziehen, wenn er geht.
Vielleicht ist ja alles ganz harmlos.
Aber mir will das dicke Geldbündel in seiner Jackentasche einfach nicht aus dem Kopf. Andererseits ist so zu hoffen, dass Papa dann auch bald sein Geld zurückkriegt, und das ist natürlich gut. Wie auch immer, ich hab nichts damit zu tun. Und außerdem habe ich momentan genug zu tun mit meinen eigenen Problemen.
Edwins Aufkreuzen hat mich jedenfalls in die Wirklichkeit zurückgeholt und mich gezwungen, mich einigermaßen wie ein erwachsener und funktionierender Mensch aufzuführen. Vormittags belege ich wie gewohnt Brote und serviere Kaffee. Heute ist Sofi eher die Aufgedrehte und Unkonzentrierte. Sie flattert hierhin und dorthin, macht manche Sachen nur halb oder vergisst sie ganz, und als ich sie erinnere, faucht sie mich irritiert an. Bis ich fast das Gefühl habe, ich sei
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