Er ist der Freund meiner Freundin: Roman (German Edition)
weißt du … Telefonieren wir heute Abend?«
Ich nicke und könnte schon wieder losheulen.
Das ist zu viel. Zu viel Hin und Her, zu viel Gefühl, zu viel auf einmal zu begreifen und zu jonglieren.
Will ich wirklich mit Adrian reden? Und will er wirklich nur reden ? Ich will ihn sehen und habe zugleich eine höllische Angst davor. Wie vernünftig ist das? Könnte ich ihm widerstehen, selbst wenn ich es versuchte?
Nein, garantiert nicht.
Aber natürlich schreibe ich, dass er kommen kann, natürlich füge ich noch ein »Klar« ein und schicke die SMS ab.
Ein kleines, gewöhnliches Wort mit vier ganz gewöhnlichen Buchstaben. Es dauert nur wenige Sekunden, das kleine Wort zu schreiben und abzuschicken. Das Wort, das den ohnehin schon gigantischen Verrat noch größer macht. Unermesslich.
Ich fahre ein paarmal mit der Bürste durchs Haar und versuche mit zittrigen Fingern, etwas Kajal aufzutragen. Dann putze ich die Zähne und tausche das triste T-Shirt gegen ein rosa Top ein. Als ich mich selber im Spiegel betrachte, muss ich zugeben, dass ich aussehe, als hätte ich was ganz anderes als Reden im Sinn. Also ziehe ich das Top wieder aus und ziehe das leichte, dunkelblaue Baumwollhemd an, das ich im Frühjahr gekauft habe. Gerade als ich beschließe, es gegen etwas anderes auszutauschen, kommt er.
Ich bin völlig verkrampft vor Nervosität. Ein dünner Schweißfilm legt sich auf meine Haut.
Adrian nimmt mich in den Arm und hält mich lange fest. Küsst mich auf die Wange und den Hals und atmet warm in mein Haar. »Emma … ich bin fast gestorben vor Sehnsucht.«
»Du wirkst aber nicht sehr tot«, murmele ich.
Er lächelt, ich kann es nicht sehen, aber ich spüre es an meiner Schläfe.
»Jetzt nicht mehr, stimmt. Jetzt bin ich so lebendig wie seit Tagen nicht. Danke, dass ich kommen durfte.«
Ich möchte ihn genauso festhalten, wie er mich hält, aber meine Arme sind so schwer und sperrig und es kommt nur eine linkische Umklammerung seines Rückens dabei heraus.
»Ist doch selbstverständlich«, sage ich.
»Ist es gar nicht. Ich habe gesehen, wie schlecht es dir ging, als wir im Café waren. Scheiße, ich hab alles Mögliche versucht, Elli davon abzubringen, aber irgendwann konnte ich nichts mehr machen, ohne dass sie sich gewundert hätte.«
Er lässt mich los und macht einen Schritt zurück.
»Ich möchte, dass du etwas weißt«, sagt er.
»Was?«
»Du bist Ellinors beste Freundin, und vielleicht denkst du, dass ich schon öfter … Also, ich hab so was noch nie gemacht, ich war ihr noch nie untreu.«
»Ich auch nicht«, sage ich.
»Das ist nicht das Gleiche.«
»Nicht das Gleiche, aber mindestens genauso schlimm. Man schläft nicht mit dem Freund seiner besten Freundin. Das tut man einfach nicht, das ist unverzeihlich, darauf müsste die Todesstrafe stehen!«
»Mit der besten Freundin seiner Freundin auch nicht. Ich weiß vor schlechtem Gewissen nicht mehr, wohin, aber gleichzeitig tauchst du unablässig in meinen Gedanken auf. Ich weiß nicht, wie ich dich aus meinem Kopf kriegen soll, weiß nicht, wie ich es schaffen soll, dich nicht mehr zu wollen, mir deine Worte nicht mehr auf den Bildschirm zu wünschen oder nicht mehr daran zu denken, wie dein Haar duftet. Oder an die winzige Linie auf deiner Unterlippe, die dich noch sinnlicher aussehen lässt. Weißt du eigentlich, dass dein Mittelfinger und dein Ringfinger sich ganz leicht zueinander neigen, wenn du sie ausstreckst, als würden sie miteinander tuscheln? Und dass ich mich schon immer beherrschen musste, deine Brüste nicht anzustarren, weil sie jeden normalen Jungen um den Verstand bringen? Wie soll ich es schaffen, all das von nun an zu übersehen? Kannst du mir das sagen, Emma?«
Ich sehe ihn verwundert an.
»Halt mich fest«, sage ich dann leise. »Ich weiß, dass es nicht sein darf, dass wir nicht weitermachen dürfen, aber halt mich trotzdem fest …«
Adrian zieht mich zärtlich an sich, und ich suche seinen Mund und küsse ihn, und plötzlich sind meine Hände wieder ganz leicht und eifrig, tasten lustvoll seinen Körper ab, und eine halbe Stunde lang gelingt es uns, die Welt noch einmal zu verdrängen, eine halbe Stunde, in der außer der Hitze, unserer nackten Haut, unserer Lust und uns zwei mittendrin nichts existiert.
Hinterher liegt Adrian auf dem Bauch neben mir, das Gesicht zwischen die Arme geschoben. Ich stütze mich mit dem Ellenbogen auf, lege den Kopf auf die Hand und erforsche mit den Fingerkuppen der anderen
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