Er ist der Freund meiner Freundin: Roman (German Edition)
eingekapselt und ist gut geschützt? Kann man es so einpacken, dass es einen nicht von innen aufreibt?
Ich gehe hemmungslos ganz nah an die drei Leute heran, schieße ein paar Bilder und kassiere einen skeptischen Blick von dem Mann.
»Entschuldigung«, nuschele ich und gehe weiter.
»Sie hat Fotos gemacht«, höre ich den Mann sagen. »Von uns.«
Ich bekomme nicht mehr mit, ob er eine Antwort bekommt, bin bereits dabei, eine Familie am Eingang der Galleria ins Visier zu nehmen. Sie beachten mich gar nicht, weil sich der Sohn, der vielleicht zwei oder drei Jahre alt ist, bäuchlings auf den Boden geworfen hat und laut schreiend mit den Beinen strampelt. Er windet und krümmt sich wie ein Wurm, als der Vater versucht, ihn hochzuheben. Die Leute müssen einen großen Bogen machen, um vorbeizukommen. Ich sehe die peinlich berührten, entschuldigenden Blicke der Mutter und wie der Mann von dem Kind aufschaut, das er nicht zu fassen kriegt. Die jungen Eltern sehen sich in einem kurzen Augenblick purer Verzweiflung an und genau diesen Augenblick fange ich ein. Eine Sekunde später steht der Junge auf. Er schaut sich um und wischt sich mit dem Pulloverärmel Rotz und Tränen aus dem Gesicht, ehe er zielbewusst auf die Straße läuft, die Eltern dicht auf den Fersen. Unterwegs hebt der Vater eine kleine, blaue Mütze auf, die seinem Sohn in dem Tumult anscheinend vom Kopf gefallen ist.
War er untreu?
Oder sie vielleicht?
Das kommt mir unwahrscheinlich vor. Ich laufe durch die Stadt und beobachte Leute und versuche, mir vorzustellen, dass Adrian und ich nicht die Einzigen sind. Ich ziehe sie mit meinem Zoom nah heran, fokussiere ihre Gesichter und suche nach Spuren, gemeinsamen Erkennungsmerkmalen. Aber je mehr ich mich umschaue, desto überzeugter bin ich, dass sich kaum einer oder keiner von ihnen eines so schwarzen und tödlichen Verrates schuldig gemacht hat wie wir. Garantiert hat jeder von ihnen sein kleines Geheimnis, heftiges Geknutsche auf einer Betriebsfeier oder ein Quickie bei einem Seminar, aber nichts, was sich mit dem vergleichen ließe, was wir getan haben.
Gegen zwei Uhr kommt eine SMS von Markus. Ein einfaches Fragezeichen. Ich schreibe ihm, dass ich in der Stadt bin. Eine Viertelstunde später treffen wir uns vor La Bella Donna . Wir überfliegen die Karte mit den verschiedenen Pizzen und stellen fest, dass wir eigentlich gar nicht hungrig sind. Also gehen wir wieder. Ich mache ein paar Bilder von ihm, Porträts, versuche, der neuen Frisur gerecht zu werden. Sein Blick auf den Bildern ist finster, nachdenklich, voller Widersprüche. Wir kreuzen die Järnvägsgatan und gehen zum Videbergspark, wo wir uns eine Weile auf die Bank in dem alten Pavillon am Fluss setzen. In Markus’ Augen steht die Frage, er muss gar nichts sagen und
das weiß er, darum wartet er einfach geduldig auf die Antwort.
»Bist du sicher, dass du es wissen willst?«, frage ich ihn stattdessen.
»Nein«, sagt er. »Aber ich kann nicht anders.«
Da erzähle ich ihm vom Vormittag. Von Adrians Besuch, dem klingelnden Handy und von Adrians Verschwinden. Markus schaut die ganze Zeit auf das Wasser, das gemächlich vorbeifließt.
»Ich fasse es nicht«, sagt er, als ich verstummt bin. »Ich kann es einfach nicht fassen, dass du zulässt, dass er kommen kann, wann es ihm passt, mit dir schläft und dann zu Ellinor dackelt, als ob nichts gewesen wäre! Scheiße! Ich hätte echt Lust, den Kerl zusammenzufalten, dass er nicht mehr aufsteht.«
Ich sehe Markus beunruhigt an und da lächelt er.
»Was denkst du denn, Emmis, lebensmüde bin ich nicht. Ich habe nur gesagt, wonach mir wäre. Adrian würde mich wahrscheinlich mit dem kleinen Finger umhauen.«
»Ich habe nicht vor, mich irgendwie rauszureden«, sage ich. »Ich kann es nicht erklären. Aber jetzt weiß ich zumindest, dass er sich genauso beschissen fühlt wie ich. Was immer du denkst.«
Mein Handy piepst und ich nehme es heraus.
Verdammt, wo steckst du? Ich stehe vor deiner Tür. Mach hin! /Edwin
Als Markus und ich in der Korngatan ankommen, ist Edwin nirgends zu sehen.
»Und wo ist der Idiot jetzt?«, murmele ich. »Eben hatte er es noch verdammt eilig.«
Ich stecke den Schlüssel ins Schloss und drehe ihn um. Da hören wir eilige Schritte von oben. Es dauert, bis er auf unserem Treppenabsatz auftaucht, offenbar hat er oben vor der Dachbodentür gewartet.
»Mist, ich warte eine halbe Ewigkeit!«
Er drängt sich an uns vorbei in den Flur.
Markus und ich folgen ihm und
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