Er ist der Freund meiner Freundin: Roman (German Edition)
guckt leicht eingeschnappt. »Dann haben wir eben zwei. Wird schon aufgegessen werden.«
Sie wirft einen Blick auf die Terrasse und den liebevoll gedeckten Tisch. »Ist es draußen nicht zu kalt?«
»Auf der Terrasse ist es windstill. Ich finde es schön, draußen zu sitzen.«
»Schon gut, ich will mich da nicht einmischen«, sagt Mama.
Ein leichter Schmerz strahlt von meinen Schultern in den Nacken aus. Bald werde ich hämmernde Kopfschmerzen haben. Die krieg ich immer, wenn Mama und Papa sich treffen. Nicht, weil sie sich streiten oder so. Eher, weil sie genau das nicht tun. Die Luft verdichtet sich sozusagen von ihren unausgetragenen Streitereien. Wie Gewitterwolken. Von denen kriege ich auch Kopfschmerzen, bevor das Unwetter losbricht.
Ich schnappe mir die Förmchen mit dem Apfelkuchen und die Salatschüssel und verschwinde in die Küche, wo ich in Windeseile den Stecker vom Ladegerät rausziehe und es mitsamt Kamera in Papas Büro verfrachte. Ich schaffe es gerade zurück in die Küche, als Mama kommt.
»Hast du den Ofen schon angestellt?«, fragt sie. »Der Apfelkuchen war eingefroren und muss ein bisschen warm gemacht werden.«
Sie beugt sich vor und schaut durch die Scheibe vom Ofen.
»Ist das Lasagne? Fertig gekauft, natürlich.«
»Die aus der Markthalle ist superlecker«, sage ich.
»Ja doch.«
Edwin setzt sich ans schmale Ende des Tisches und steckt sich eine Zigarette an. Ich kann ihn durchs Fenster sehen.
»Seit wann raucht Edwin?«
Mama breitet die Arme aus. »Mein Gott, ja. Das ist verrückt, oder? Aber ich kann sagen, was ich will. Er befindet sich gerade in einer akuten Trotzphase, würde ich sagen.«
»Hat er die nicht immer?«
»Aber im Moment schlimmer als sonst.«
Sie öffnet den Hängeschrank über der Arbeitsfläche und starrt in das untere Fach. In dem Augenblick kommt Papa in die Küche.
»Wo sind die kleinen Teller abgeblieben?«, fragt Mama.
»Im Eckschrank.«
»Wieso das denn? Standen sie hier nicht gut?«
»Ich benutze sie so selten.«
Mama schließt die Tür mit Nachdruck.
»Wie auch immer«, sagt sie. »Such du die Sachen raus, du weißt am besten, wo sie inzwischen stehen. Kuchenteller und Löffel, bitte. Für den Apfelkuchen.«
Auf dem Weg aus der Küche wirft sie noch einen letzten Blick auf die Folienförmchen, als würde es ihr schwerfallen, sie Papas Verantwortung zu überlassen.
»Als ob ich keinen Salat machen könnte«, brummelt Papa und nimmt die Topflappen vom Haken.
Er zieht die dampfende Lasagneform aus dem Ofen und stellt sie auf die Herdplatte. Dann sieht er sich um.
»Wo hast du die Kamera gelassen?«
»Ich hab sie in dein Büro gebracht.«
»Willst du sie nicht zeigen?«
Ich zucke mit den Schultern. »Ich dachte nur, dass sie vielleicht … na ja, das sie denken könnte …«
»Sie macht immer teurere Geschenke als ich«, fällt Papa mir ins Wort. »Sonst bin immer ich derjenige, der sich schämen muss. Du könntest sie wenigstens zeigen.«
»Hast du mir die Kamera nur geschenkt, um sie auszustechen?«
»Natürlich nicht! Ich hab sie dir geschenkt, weil ich dachte, du würdest dich darüber freuen.«
»Ich freu mich ja auch!«
»Na dann.«
Ich seufze. »Können wir wenigstens vorher essen?«
»Aber klar, sicher doch. Du machst es mit der Kamera ganz genau so, wie du denkst.«
Ich nehme die Folie von den Aluförmchen. »Stellen wir sie einfach in die Nachwärme? Dann sind sie vielleicht so weit, wenn wir mit der Lasagne fertig sind.«
Papa nickt und ich schiebe die Kuchenformen in den Ofen. Mamas Apfelkuchen ist wirklich der beste, den ich kenne. Sie kann überhaupt gut kochen und backen. Wie alles andere auch. Sie ist eine beliebte Lehrerin und forscht erfolgreich über die Sprachentwicklung bei Jugendlichen, kennt sich in wirtschaftlichen Fragen aus und ist richtig gut, was den ganzen IT-Bereich betrifft. Sie muss Edwin nur in Ausnahmefällen um Hilfe bitten, wenn mal was mit ihrem Computer nicht stimmt. Und für ihre achtundvierzig Jahre hat sie sich ziemlich gut gehalten. Das Problem ist nur, dass sie ständig genervt wirkt oder vielleicht auch enttäuscht, weil der Rest der Familie nicht so erfolgreich ist wie sie. Ich weiß sehr wohl, dass es ihr gar nicht schmeckt, dass ich in einem Café jobbe, statt mein Studium zu beginnen, und dass sie sich Sorgen macht, dass Edwin sich in der Schule nicht genügend anstrengt. Sie sagt nicht oft was, macht höchstens mal eine Andeutung, aber ihre Erwartungshaltung ist trotzdem immer
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