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Er ist wieder da

Er ist wieder da

Titel: Er ist wieder da Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timur Vermes
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Volksgenossen wie mit einem eigenen Kinde. Aber Mitleid hat noch niemandem geholfen.
    »Jetzt nehmen Sie mal Haltung an«, sagte ich scharf. »Sie stehen auf diesem Posten, weil sich Ihr vorgesetzter Offizier auf Sie verlässt! Geben Sie Ihr Bestes, dann wird auch er Ihnen seine Unterstützung nicht versagen!«
    Sie sah mich etwas verwirrt an, fasste aber – wie es im Schützengraben nicht selten vorkommt – gerade durch die barsche Ansprache etwas Mut, nickte und führte mich hinein zu der Veranstaltung in der oberen Etage des Zelts, wo ich sogleich der Schriftleiterin zugeleitet wurde. Es handelte sich um eine gereifte blonde Dame in einem Dirndl, mit blitzenden, blauen Augen, die ich mir dank ihrer aufgeweckten Art jederzeit als Büroleiterin in der Parteizentrale vorstellen konnte. Eine Zeitschrift hätte ich ihr nicht notwendigerweise anvertraut, obwohl, eine Klatschpostille mit Gesundheitstipps und Strickmustern, wer weiß, das mochte gerade angehen. Zudem war ihr vermutlich auch an Ansprache gelegen, sie sah aus, als habe sie schon vier oder fünf Kinder großgezogen und wäre wohl inzwischen reichlich einsam zu Hause.
    »Ah«, strahlte sie, »der Herr Hitler!« Und ihre Augenwinkel blitzten verschmitzt, als hätte sie einen ganz ausgezeichneten Scherz gemacht.
    »Richtig«, sagte ich.
    »Mei, das ist aber schön, dass Sie da sind.«
    »Ja, ich freue mich auch außerordentlich, gnädige Frau«, sagte ich, und bevor ich mehr antworten konnte, überzog sie ihr Gesicht mit einem noch glänzenderen Strahlen und drehte sich zur Seite, woraus ich schloss, dass nun wohl ein obligatorisches Foto gemacht würde. Ich blickte ernst in dieselbe Richtung, dann gab es einen Blitz und meine Audienz war beendet. Ich entwarf rasch einen kleinen Vierjahresplan, der vorsah, dass die Schriftleiterin schon im nächsten Jahr hier mindestens fünf Minuten mit mir plaudern würde und in dem darauf zwanzig – selbstverständlich nur theoretisch, denn bis dahin hatte ich vor, auf Einladungen wie diese dankend verzichten zu können. Da würde sie dann mit jemandem wie Göring vorliebnehmen müssen.
    »Wir sehen uns ja sicher später noch«, flötete die Schriftleiterin, »ich hoffe, Sie haben ein bisschen Zeit für uns.« Worauf mich eine junge, volkstümlich gekleidete Frau weiterzerrte zu mehreren volkstümlich gekleideten Frauen.
    Das war überhaupt eine der furchtbarsten Sitten, die mir jemals untergekommen war: Nicht nur die Schriftleiterin oder jene junge Frau, schlicht jede Frau in der gesamten Örtlichkeit fühlte sich verpflichtet, sich in ein Kleid zu pressen, das bemüht dem der Landbevölkerung nachempfunden war, das aber schon der erste Blick als geradezu schauerliche Imitation entlarvte. Nicht, dass man im Bund Deutscher Mädel nicht in eine vergleichbare Richtung gearbeitet hatte, allerdings hatte es sich dabei, wie der Name schon sagt, um Mädel gehandelt. Hier hingegen waren in überwiegender Mehrheit Damen versammelt, deren Mädelalter schon mindestens ein Jahrzehnt zurücklag, wenn nicht mehrere. Ich wurde an einen Biertisch geführt, an dem bereits mehrere Personen saßen.
    »Was darf ich bringen?«, fragte eine Kellnerin, deren Dirndl wenigstens die Authentizität einer ehrlichen Arbeitskleidung besaß. »Eine Maß?«
    »Ein stilles Wasser«, bat ich.
    Sie nickte und verschwand.
    »Oho, ein Profi«, sagte ein beleibter Farbiger am Tischende, der neben einer blassen Blonden saß, »aber du mussen bestellen in ein Maßkrug! Das sieht besser aus fur die Fotografen. Glaub mir, ich mach das jetzt seit funfzig Jahre.« Dabei grinste er unglaublich breit und enthüllte unbegreifliche Zahnmengen. »Wie sieht das denn aus – auf der Wiesn mit ein Wasserglas?«
    »Ach was, stille Wasser sind tief«, sagte mir gegenüber eine etwas verlebt wirkende Dirndlträgerin, die – wie mir später zu Ohren kam – ihren Lebensunterhalt in einer jener hingeschluderten Spielserien verdiente. Das heißt, wenn sie nicht gerade in einer anderen Sendung mitwirkte, die, wenn ich recht gehört hatte, darin bestand, dass man mit anderen Figuren gleichartiger Drittklassigkeit in ein Urwald ging und sich dabei beobachten ließ, wie man in Gewürm und Exkrementen watete.
    »Sie machen ja lustige Sachen, ich hab schon einiges von Ihnen gesehen«, sagte sie, nahm einen Schluck aus ihrem Maßkruge und beugte sich vor, um mir einen Einblick in ihren Ausschnitt zu gewähren.
    »Sehr erfreut«, sagte ich, »ich habe auch schon ein oder zwei

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