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Er ist wieder da

Er ist wieder da

Titel: Er ist wieder da Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timur Vermes
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gekommen, man spürte es an ihrem Zögern. Ihr schienen die Folgen ungewiss und daher ein Risiko, dem sie sich lieber mit einem Scherzwort entzogen hätte. Doch hatte zu diesem Zeitpunkt einer der hinzugekommenen Fotografen bereits das Schlagwort »Die Schöne und das Biest« in die Schlacht geworfen, worauf die Meute der Bildberichterstatter nicht mehr aufzuhalten war. Also trat die exotische Rechenmaschine die Flucht nach vorne an und stürzte sich mit einem kreischenden Lachen auf mich.
    Dieser Typ Frau ist nicht neu, es gab ihn bereits vor siebzig Jahren, wenn auch nicht derart prominent. Es waren und sind dies damals wie heute Frauen von maßlosem Geltungsdrang und geringem Selbstwertgefühl, das sie beschwichtigen möchten, indem sie eifrig all ihre vermeintlichen Mängel zu verbergen suchen. Aus unbegreiflichen Gründen hält jener Typus Frau dazu immer nur eine Methode für geeignet – sie versuchen, das Geschehen ins Lächerliche zu ziehen. Es ist der gefährlichste Typ Frau, der einem Politiker begegnen kann.
    »Mensch, du«, quietschte sie auf und versuchte sich an meinen Hals zu werfen, »das ist ja supi! Darf ich Adi zu dir sagen?«
    »Sie dürfen Herr Hitler zu mir sagen«, erwiderte ich nüchtern.
    Manchmal genügt das, um die Leute zu vertreiben. Doch sie setzte sich stattdessen auf meinen Schoß und sagte: »Du, das ist ja dufte, Herr Hitler! Was machen wir beide denn jetzt für die lustigen Fotografen? Hmmmduuu?«
    Man hat in Situationen wie diesen alles zu verlieren und nichts zu gewinnen. Und neunundneunzig von hundert Männern hätten hier die Nerven verloren und den Rückzug angetreten, unter Vorwänden wie »Frontbegradigung« oder »Neuaufstellung der Truppenteile«. Ich habe das oft genug beobachtet, damals im russischen Winter 1941, der mit minus 30 Grad, minus 50 Grad so überraschend über meine Soldaten hereingebrochen ist. Damals hat es auch nicht an Leuten gefehlt, die sagten: »Zurück, zurück!« Ich allein habe die Nerven behalten und habe gesagt: Nichts da, keinen Meter zurück! Wer weicht, wird erschossen. Napoleon hat versagt, aber ich allein habe die Front gehalten, und im Frühjahr haben wir die krummbeinigen sibirischen Bluthunde gehetzt wie die Hasen, über den Don, bis Rostow, bis nach Stalingrad und dann so weiter, ich will da jetzt nicht unnötig ins Detail gehen.
    Jedenfalls kam ein Rückzug damals nicht infrage und auch nicht in dieser unangenehmen Bierzeltsituation. Die Lage ist niemals aussichtslos, wenn man den fanatischen Willen zum Sieg hat. Man denke nur an das Wunder des Hauses Brandenburg 1762. Zarin Elisabeth stirbt, ihr Sohn Peter schließt Frieden, Friedrich der Große ist gerettet. Hätte Friedrich vorher kapituliert, hätte man kein Wunder, kein Königreich Preußen, kein gar nichts, nur eine tote Zarin. Viele sagen, mit Wundern kann man nicht rechnen. Ich sage: doch! Man muss nur so lange warten, bis sie auch kommen. Bis dahin gilt es eben, in der Stellung auszuharren. Eine Stunde, ein Jahr, ein Jahrzehnt.
    »Sehen Sie, gnädige Frau«, sagte ich, um Zeit zu gewinnen, »ich freue mich ja so, wieder hier zu sein, hier im schönen München, in meiner Hauptstadt der Bewegung – wussten Sie das?«
    »Nein, wie interessant«, quietschte sie ratlos und hob bereits ihre Arme, um mir durch die Frisur zu fahren. Es ist für solche Frauenzimmer weniges leichter, als Autoritäten herabzuwürdigen, indem man deren Äußeres beschädigt. Ich fand, wenn die Vorsehung ein Wunder in ihrer Planung bereithielt, war es jetzt an der Zeit.
    Plötzlich hielt mir jemand aus der Reihe der Fotografen einen dicken schwarzen Stift unter die Nase.
    »Signieren Sie doch das Dirndl«, sagte er.
    »Das Dirndl?«
    »Aber klar!«
    »Ja! Super!« Letzteres kam aus den Reihen seiner Kollegen.
    Die niedersten Instinkte des Menschen sind die zuverlässigsten Verbündeten, vor allem wenn man sonst keine hat. Selbstverständlich hatte die fragwürdige Frau kein Interesse an einem signierten Kleid. Die Fotografen jedoch drängten darauf, weil sie eine Variante des üblichen anzüglichen Ausschnittfotos witterten. Und gegen deren Begehr konnte sie nur begrenzt ankämpfen. Wer durch das Schwert lebt, wird durch das Schwert fallen, selbst wenn das Schwert nur ein Fotoapparat ist. Sie nickte daraufhin mit einem quietschenden »Super!«. Ich dachte, es wäre auf jeden Fall eine Möglichkeit, den Feind hinzuhalten, vielleicht gar neue Truppen heranzuführen.
    »Sie gestatten, gnädige

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