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Er ist wieder da

Er ist wieder da

Titel: Er ist wieder da Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timur Vermes
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unverfälscht die wahre Situation der Bevölkerung, ihre Ängste, Sorgen und Rasierklingennöte aus der nächsten Nähe mit. Und einmal darauf aufmerksam geworden, stellte sich heraus, dass nicht nur die Drogisten nach jenem wunderlichen Arbeitsprinzip organisiert waren, sondern die ganze Gesellschaft. Jedes Bekleidungsgeschäft, jede Buchhandlung, jedes Schuhgeschäft, jedes Kaufhaus, auch und gerade Lebensmittelhandlungen, sogar Restaurants, alles war praktisch ohne Personal. Geld, so stellte sich heraus, gab es nicht mehr bei der Bank, sondern an Automaten. Genauso verhielt es sich mit Fahrkarten, mit Briefmarken, hier war man bereits dazu übergegangen, die Postfilialen samt und sonders zu beseitigen. Auch Pakete wurden in einen Automaten geschoben, an dem sie sich der Empfänger dann gefälligst selbst zu holen hatte. Angesichts dessen hätte die neue Wehrmacht über ein Millionenheer verfügen müssen. Tatsächlich aber hatte die Wehrmacht mit Ach und Krach gerade die doppelte Mannschaftsstärke des Versailler Schandvertrages. Es war rätselhaft.
    Wo waren all diese Menschen?
    Zunächst war ich davon ausgegangen, dass sie wohl Autobahnen bauten, Sümpfe trockenlegten und dergleichen mehr. Dem war allerdings nicht so. Sümpfe galten neuerdings als seltene Rarität und wurden eher nachgegossen als ausgetrocknet. Und Autobahnen bauten nach wie vor polnische, weißrussische, ukrainische und andere Fremdarbeiter, zu Löhnen, die für das Reich rentabler gewesen wären als jeder Krieg. Hätte ich damals gewusst, wie billig der Pole zu haben ist, ich hätte das Land genauso gut überspringen können.
    Man lernt eben nie aus.
    Kurz kam mir die Möglichkeit in den Sinn, das deutsche Volk könnte zwischenzeitlich einfach derart geschrumpft sein, dass all diese eingesparten Menschen ganz natürlich nicht mehr vorhanden waren. Die Statistik sagte hingegen, dass es noch immer 81 Millionen Deutsche gab. Man wundert sich hier auch vermutlich, weshalb mir der Gedanke mit den Arbeitslosen nicht früher gekommen ist. Der Grund ist, dass mir das Bild des Arbeitslosen anders in Erinnerung geblieben war.
    Der Arbeitslose, den ich von früher kannte, hängte sich Schilder um den Hals mit der Aufschrift »Suche Arbeit jeder Art«, und damit ging er dann auf die Straße. Wenn er lange genug erfolglos mit diesem Schild herumgelaufen war, legte er das Schild ab, nahm eine rote Fahne in die Hand, die ihm ein herumlungernder Bolschewik in die Hand drückte, und dann ging er mit dieser Fahne auf die Straße. Ein Millionenheer zorniger Erwerbsloser war die ideale Voraussetzung für jede radikale Partei, und die radikalste von allen hatte glücklicherweise ich. Aber in den Straßen der neuen Gegenwart sah ich keinen Arbeitslosen. Hier protestierte niemand. Und auch die naheliegende Vermutung, man hätte die Menschen in einem Arbeitsdienste oder einer Form von Arbeitslager konzentriert, bewahrheitete sich nicht. Stattdessen hatte man, wie ich herausfand, die eigenwillige Lösung eines Herrn Hartz gewählt.
    Dieser Herr hatte herausgefunden, dass man sich die Arbeiterschaft nicht nur durch höhere Löhne oder dergleichen gewogen machen kann, sondern auch dadurch, dass man ihren Vertretern Geld und brasilianische Geliebte zukommen lässt. Diese Erkenntnis war nun mit mehreren Gesetzen auf die Erwerbslosen übertragen worden, freilich auf einem erheblich niedrigeren Niveau. Statt mehrerer Millionen gab es einen geringeren Betrag, statt richtiger Brasilianerinnen gab es ungarische oder rumänische Liebesdienerinnen per Bild aus dem Internetz, was nur voraussetzte, dass jeder Erwerbslose einen oder mehrere Computer besaß. So konnten sich die Herren Rossmann und Müller weiterhin in ihrem verkäufer- und rasierklingenlosen Gewerbe die Taschen füllen, ohne dass sie fürchten mussten, ein Erwerbsloser würde ihnen die Fensterscheiben einwerfen. Bezahlt wurde das Ganze dann von den Steuern des kleinen Mannes aus der Schrapnellfabrik. Und selbstverständlich deutete für den erfahrenen Nationalsozialisten hier alles auf eine Verschwörung des Kapitals, des Finanzjudentums hin: Mit dem Geld der Armen wurden die noch Ärmeren zum Wohle der Reichen derart beschwichtigt, dass sie in aller Ruhe ihre Krisengewinnlergeschäfte durchführen konnten. Darauf hinzuweisen wurden im Übrigen sogar linke Politiker nicht müde, wenn auch natürlich unter Fortlassung der jüdischen Komponente. Doch tatsächlich griff diese Erklärung zu kurz. Hier musste fraglos

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