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Er ist wieder da

Er ist wieder da

Titel: Er ist wieder da Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timur Vermes
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Hand. Nicht dass ich mich an die Dame hätte erinnern können, aber diese ehrliche Anhänglichkeit war von ganz eigenem Zauber. Jedenfalls konnte ich, als sich Sensenbrink nervös am Telefon meldete, mit diesem Vertrauensbeweis des Volkes entspannt seine Besorgnis zerstreuen und die Forderung nach einem anwaltlichen Gegenschlage erneut zurückweisen. Und auch der Folgetag schreckte mich nicht. Das Blatt hatte die fotografierte Zustimmung natürlich unterdrückt und stattdessen eine völlig irrelevante Zeile gedruckt: »Irrer Youtube-Hitler: Jetzt stimmt Deutschland ab.« Dazu wurden mehrere Fotos aus Konzentrationslagern gezeigt, die die unschöne, aber leider Gottes nun einmal notwendige Arbeit der SS zeigten. Da war ich dann schon auch ein wenig ungehalten.
    Denn es ist bei großen Aufgaben immer ein unseriöses Vorgehen, die unbedeutenden Einzelfälle aufzuzeigen, in denen das Vorhaben vorübergehend kleinere Unerfreulichkeiten mit sich bringt. Da hat man eine große Autobahn, die volkswirtschaftliche Güter im Milliardenumfang transportiert, und da findet man immer am Wegesrand ein niedliches Kaninchen, das ängstlich zittert. Da baut man einen Kanal, der Hunderttausende von Arbeitsplätzen sichert, und da findet man natürlich den einen oder anderen Kleinbauern, der weichen muss und dann bittere Tränen vergießt. Aber deshalb kann ich doch die Zukunft des Volkes nicht ignorieren. Und wenn man die Notwendigkeit erkannt hat, Millionen Juden, und so viele sind es nun einmal damals gewesen, Millionen Juden auszurotten, da findet man natürlich immer wieder mal einen, bei dem sich der mitfühlende einfache Deutsche denkt, ach, nun ja, so sehr schlimm war jetzt dieser Jude nicht, den oder auch jenen Juden dort hätte man schon noch einige Jahre ertragen können. Da ist es für so ein Blatt ein Leichtes, an die rührselige Seite der Menschen zu appellieren. Es ist dies ein altes Lied: Jeder ist überzeugt von der Bekämpfung der Ratten, aber wenn es zur Sache geht, ist das Mitleid mit der einzelnen Ratte groß. Wohlgemerkt: lediglich das Mitleid, nicht der Wunsch, die Ratte zu behalten. Das darf man nicht verwechseln. Aber ebenjene absichtliche Verwechslung lag der Bebilderung der Umfrage selbstverständlich zugrunde. Die Abstimmung, deren redlicher Ablauf ohnehin zu bezweifeln war, bot wiederum drei Antworten zur Auswahl, die mir ein grimmiges Schmunzeln entlockten. Derlei hätte ich mir eigentlich auch selbst ausdenken können. Die Antwortoptionen lauteten:
    1. Es reicht! Schaltet den Youtube-Hitler ab!
2. Nein, der ist eh nicht witzig, das merkt auch MyTV.
3. Nie gesehen. Der Nazi-Mist interessiert mich nicht.
    Damit war natürlich zu rechnen gewesen. Derlei gehört zum verleumderischen Grundzug und Handwerkszeug der geistig offenbar noch immer verjudeten bürgerlichen Hetzpresse. Man musste damit leben, zumal für derlei Lügengesindel auch die notwendigen Unterbringungsmöglichkeiten fehlten. Wie ich beispielsweise anlässlich einer kleineren Infrastrukturkontrolle vermittels des Internetzes hatte feststellen müssen, standen im Konzentrationslager Dachau nur mehr zwei Baracken. Unsägliche Zustände, da hätte man ja schon nach der ersten Verhaftungswelle wieder die Krematorien anwerfen müssen.
    Sensenbrink rotierte natürlich bereits in Höchstgeschwindigkeit. Es sind immer die »großen Strategen«, die als Erste das Nervenflattern bekommen. »Die machen uns fertig«, jammerte er in einem fort, »die machen uns fertig. MyTV wird garantiert schon nervös. Wir müssen denen ein Interview geben!« Ich bedeutete dem Hotelreservierer Sawatzki, dass er auf den unsicheren Kantonisten ein Auge haben solle. Die Dame Bellini hingegen blühte förmlich auf. Seit Ernst Hanfstaengl hatte niemand mehr derart für mich die wichtigen und halbwichtigen Leute beschwatzt. Und sie sah auch noch deutlich besser aus, ein echtes Rasseweib.
    Und doch knickte ich am vierten Tage ein.
    Es ist dies der einzige Vorgang, den ich mir bis heute ankreide. Ich hätte unnachgiebige Härte zeigen sollen, aber ich war möglicherweise auch ein wenig aus der Übung. Und außerdem hätte ich mir das Vorgefallene niemals träumen lassen.
    Man hatte ein großes Foto von mir veröffentlicht, es zeigte mich, wie ich das brave Fräulein Krömeier zur Firmentür geleitete. Das Foto, bei hellem Lichte des sehr frühen Abends erstellt, war – wie ich dank meiner langen Unterredungen seinerzeit mit Heinrich Hoffmann leicht sehen konnte – mutwillig und

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