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Er ist wieder da

Er ist wieder da

Titel: Er ist wieder da Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timur Vermes
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nur verlockend genug erscheint, kommen sie in großer Freude gerannt und können einem kaum genug Geld hinterherwerfen. Wenn alles gut läuft, sind sie auch die Ersten, die ihren Anteil vergrößern möchten mit dem Hinweis, sie hätten schließlich das ganze Risiko getragen. Doch sobald irgendetwas gefährlich aussieht, sind sie als Allererstes dabei, dieses doch so verdienstreiche Risiko auf andere abzuwälzen.
    »Wenn das Ihre Sorge ist«, spottete ich, »dann kommt die reichlich spät. Meinen Sie nicht, dass Sie so was früher hätten fragen sollen?«
    Die Dame Bellini räusperte sich. »Ich fürchte, wir müssen Ihnen etwas beichten.«
    »Und das wäre?«
    »Wir haben Sie überprüfen lassen. Also, verstehen Sie mich nicht falsch: Wir haben Sie nicht beschatten lassen oder so. Aber wir haben mal eine Spezialagentur engagiert. Ich meine, man muss ja sichergehen, ob man einen überzeugten Nazi beschäftigt.«
    »Na«, sagte ich gereizt, »dann wird Sie das Ergebnis sicher beruhigt haben.«
    »Einerseits schon«, sagte die Dame Bellini, »wir haben nichts Nachteiliges gefunden.«
    »Und andererseits?«
    »Andererseits haben wir überhaupt nichts gefunden. Also – es war, als hätten Sie vorher überhaupt nicht existiert.«
    »Und? Möchten Sie jetzt von mir wissen, ob ich vielleicht vorher doch schon mal existiert habe?«
    Die Dame Bellini machte eine kurze Pause.
    »Bitte, jetzt verstehen Sie uns nicht falsch. Wir sitzen alle in einem Boot, wir wollen ja nur vermeiden, dass wir am Ende«, und hier lachte sie etwas gezwungen, »dass wir – natürlich ohne es zu wissen – so was wie den echten Hitler hier …« Dann machte sie eine ganz kurze Pause, bevor sie schloss: »Ich kann kaum glauben, was ich hier sage.«
    »Ich auch nicht«, sagte ich, »das ist Hochverrat!«
    »Können Sie mal einen Augenblick ernst bleiben?«, fragte die Dame Bellini. »Ich möchte nur, dass Sie mir eine Frage beantworten – sind Sie sicher, dass die bei ›Bild‹ nichts ausgraben können, was gegen Sie verwendet werden kann?«
    »Frau Bellini«, sagte ich, »ich habe in meinem Leben nichts getan, dessen ich mich schämen müsste. Ich habe mich weder ungerechtfertigt bereichert noch überhaupt irgendetwas im eigenen Interesse getan. Das wird im Umgang mit der Presse jedoch wenig nützen. Wir müssen in jedem Fall damit rechnen, dass diese Zeitung einen Berg an üblen Schwindeleien erdichten wird. Vermutlich wird man mir wieder uneheliche Kinder herbeilügen, das ist ja bekanntlich das Schlimmste, was der spießbürgerlichen Verleumdungspresse einfällt. Aber ich kann mit diesem Vorwurf leben.«
    »Uneheliche Kinder? Sonst nichts?«
    »Was denn sonst?«
    »Wie sieht es mit einem nationalsozialistischen Hintergrund aus?«
    »Der ist einwandfrei«, beruhigte ich sie.
    »Sie waren also nie in einer rechten Partei?«, hakte sie nach.
    »Wo denken Sie hin?«, lachte ich über diese plumpe Fangfrage. »Ich habe die Partei praktisch mitbegründet! Mitgliedsnummer 555!«
    »Bitte?«
    »Nicht, dass Sie glauben, ich sei da womöglich nur Mitläufer gewesen.«
    »War das vielleicht eine Jugendsünde?«, versuchte die Dame Bellini noch einmal reichlich plump meine tadellose Gesinnung zu entkräften.
    »Wo denken Sie hin! Rechnen Sie doch mal mit. 1919 war ich dreißig. Ich habe mir den Schwindel sogar mit ausgedacht: Die 500 davor haben wir erfunden, damit die Mitgliederzahl besser aussieht! Das ist ein Schwindel, auf den ich durchaus stolz bin. Also ich versichere Ihnen: Das Schlimmste, was demnächst in dieser Zeitung über mich stehen kann, ist: Hitler fälschte seine Mitgliedsnummer. Ich denke, damit kann ich leben.«
    Am anderen Ende der Leitung entstand wieder eine Pause. Dann sagte die Dame Bellini:
    »1919?«
    »Ja. Wann denn sonst? Man kann nur einmal in eine Partei eintreten, wenn man nicht austritt. Und ausgetreten bin ich ja wohl nicht!«
    Sie lachte, es klang erleichtert: »Damit kann ich auch leben. ›Youtube-Hitler: 1919 schummelte er beim Parteieintritt!‹ Für die Schlagzeile würde ich beinahe sogar bezahlen.«
    »Also, dann gehen Sie auf Ihren Posten, und halten Sie die Stellung. Wir geben keinen Meter preis!«
    »Jawohl, mein Führer«, hörte ich die Dame Bellini lachen. Dann beendete sie das Telefonat. Ich ließ die Zeitung auf den Tisch sinken und sah plötzlich in zwei strahlend blaue Kinderaugen unter einem blonden Schopf, ein Bub, der die Hände schüchtern auf dem Rücken hatte.
    »Ja, wen haben wir denn da?«,

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