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Er ist wieder da

Er ist wieder da

Titel: Er ist wieder da Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timur Vermes
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absichtlich verunstaltet worden. Das Bild war nunmehr unnötig unscharf, es war stark vergrößert, es war so präsentiert, als hätte es eines jahrzehntelang geschulten Spiones bedurft, um an die Aufnahme zu kommen. Was selbstverständlich Unsinn war. Ich hatte an jenem Tage einen kleinen Spaziergang erwogen, daher das Fräulein Krömeier gleich mit zum Ausgange gebracht, wo sie in den Bus gestiegen war. Auf diesem Bilde hielt ich ihr die Türe der Firma auf. Darüber stand in fetter Schrift:

    »Das ist Sippenhaft«, sagte ich kalt. »Und das Fräulein Krömeier ist ja noch nicht einmal mit mir verwandt!«
    Wir saßen im Konferenzsaal, die Dame Bellini, Sensenbrink, der Hotelreservierer Sawatzki und ich. Und es war natürlich der große Stratege Sensenbrink, der sogleich fragte: »Da läuft aber nichts, oder? Mit Ihnen und der kleinen Krömeier?«
    »Werden Sie nicht albern«, warf die Dame Bellini rasch ein. »Mir hat Herr Hitler auch schon mal die Tür aufgehalten. Wollen Sie mich auch fragen?«
    »Wir müssen sichergehen«, sagte Sensenbrink achselzuckend.
    »Sichergehen?«, gab die Dame Bellini zurück. »Wobei? Ich werde hier nicht einen Gedanken an diese widerwärtige Angelegenheit verschwenden. Fräulein Krömeier kann tun, was sie will, Herr Hitler kann tun, was er will. Wir leben nicht mehr in den Fünfzigern.«
    »Verheiratet sollte er trotzdem nicht sein«, sagte Sensenbrink fest, »jedenfalls nicht, wenn da was mit der Krömeier läuft.«
    »Sie haben’s noch immer nicht begriffen«, sagte die Dame Bellini und wandte sich zu mir. »Und? Sind Sie verheiratet?«
    »In der Tat«, sagte ich.
    »Na, wundervoll«, jammerte Sensenbrink.
    »Lassen Sie mich raten«, sagte die Bellini. »Seit 1945? Im April?«
    »Natürlich«, sagte ich, »erstaunlich, dass die Pressemeldung doch noch rausgegangen ist. Zu der Zeit war ja ungünstigerweise die Stadt voller Bolschewiken.«
    »Ohne Ihnen zu nahe treten zu wollen«, meldete sich der Hotelreservierer Sawatzki, »ich denke wohl, Herr Hitler kann mit vollem Recht als verwitwet gelten.« Man konnte sagen, was man wollte, aber dieser Sawatzki dachte auch unter Feuer schnell, klar, zuverlässig, pragmatisch.
    »Ich kann es nicht hundertprozentig bestätigen«, sagte ich, »aber gelesen habe ich es auch so wie der Herr Sawatzki.«
    »Na«, wandte sich die Dame Bellini an Sensenbrink, »zufrieden?«
    »Es gehört zu meinem Job, auch die unangenehmen Fragen zu stellen«, sagte Sensenbrink pampig.
    »Die Frage ist: Was tun wir?«, fasste die Dame Bellini zusammen.
    »Müssen wir überhaupt was tun?«, fragte Sawatzki nüchtern.
    »Ich gebe Ihnen recht, Herr Sawatzki«, sagte ich, »oder ich würde Ihnen recht geben, wenn es nur um mich ginge. Aber wenn ich nichts tue, wird mein Umfeld weiter in Mitleidenschaft gezogen. Dem Herrn Sensenbrink könnte das vielleicht nicht schaden«, sagte ich mit einem spöttischen Seitenblick, »aber ich kann das Ihnen und der Firma nicht zumuten.«
    »Ich würde es uns und der Firma jederzeit zumuten, aber unseren Aktionären keine fünf Minuten«, erwiderte die Dame Bellini trocken. »Das heißt also: kein Interview zu unseren Bedingungen. Sondern zu deren Bedingungen.«
    »Sie sind mir dafür verantwortlich, dass es nicht so wirkt«, sagte ich, und weil ich ahnte, dass die Dame Bellini Befehle nicht so freudig akzeptierte wie Sawatzki, fügte ich schnell noch hinzu: »Aber in der Sache haben Sie völlig recht. Wir geben ihnen ein Interview. Sagen wir im Adlon. Und sie zahlen.«
    »Sie haben Ideen«, spottete Sensenbrink, »wir werden in dieser Lage wohl kaum ein Honorar durchsetzen können.«
    »Es geht ums Prinzip«, sagte ich. »Ich sehe nicht ein, Volksvermögen für diesen Presseabschaum zu verschleudern. Wenn sie die Rechnung bezahlen, soll es mir genügen.«
    »Und wann?«, fragte Sawatzki.
    »Möglichst schnell«, meinte die Dame Bellini völlig zu Recht. »Sagen wir morgen. Dann geben sie vielleicht einen Tag Ruhe.«
    Ich stimmte zu. »Unterdessen sollten wir im Übrigen die eigene Öffentlichkeitsarbeit verstärken.«
    »Soll heißen?«
    »Wir dürfen die Berichterstattung nicht dem politischen Gegner überlassen. Das darf uns nicht noch einmal passieren. Es gilt, eine eigene Zeitung herauszugeben.«
    »Womöglich den ›Völkischen Beobachter‹?«, höhnte Sensenbrink. »Wir sind eine Produktionsfirma und kein Zeitungsverlag!«
    »Es muss ja keine Zeitung sein«, warf der Hotelreservierer Sawatzki rasch ein, »Herrn Hitlers

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