Er ist wieder da
jeder von den Redakteuren zum Dienstantritt, und die Einhaltung überwacht notfalls die Springerwitwe persönlich!«
»Und das sagen Sie mir erst jetzt?«, fragte ich scharf.
»Das muss doch nicht schlecht sein, wenn die nicht locker lassen können«, hakte Sawatzki ein, »wir können die Aufmerksamkeit doch in jedem Fall brauchen.«
»Richtig«, meinte die Bellini. »Aber es darf nicht ins Negative kippen. Wir müssen sicherstellen, dass allen Zuschauern klar ist, wer der Böse ist.«
»Und wer soll der Böse sein?«, stöhnte Sensenbrink. »Himmler?«
»›Bild‹«, sagten die Dame Bellini und der Hotelreservierer Sawatzki wie aus einem Mund.
»Ich werde die Verhältnisse in meiner nächsten Führeransprache klarstellen«, versprach ich. »Es wird Zeit, dass die Volksschädlinge beim Namen genannt werden.«
»Muss man sie unbedingt ›Volksschädlinge‹ nennen?«, ächzte der Reichsbedenkenträger Sensenbrink.
»Wir können ihnen zusätzlich eine gewisse Doppelzüngigkeit unterstellen«, sagte Sawatzki, »wenn wir noch ein bisschen Geld im Etat hätten. Haben Sie schon mal in Hitlers Handy gesehen?«
»Sicher, da ist der Gesprächsmitschnitt drauf«, sagte die Dame Bellini.
»Nicht nur«, sagte Sawatzki. Er beugte sich vor, nahm mein Telefon an sich und wischte ein wenig darauf herum. Dann legte er den Apparat so vor uns, dass wir den Bildschirm gut sehen konnten. Ein Foto war darauf.
Es war der erste Moment, in dem ich den genialen Goebbels nicht mehr vermisste.
xxvi.
E in gewisses Alter hat immer auch seine Vorteile. Ich bin etwa sehr froh, dass ich erst mit dreißig Jahren zur Politik gekommen bin, in einem Alter, in dem der Mann auch körperlich und sexuell zu einer ersten Ruhe kommt und sich daher mit ganzer Kraft auf seine eigentlichen Ziele konzentrieren kann, ohne dass ihm dauernd die körperliche Liebe Zeit und Nerven raubt. Im Übrigen ist es auch so, dass das Alter die Anforderungen bestimmt, die die Umgebung an einen richtet: Wenn das Volk sich einen Führer von, sagen wir, zwanzig Jahren wählt, und der interessiert sich für keine Frau, dann gibt es selbstverständlich sofort Gerede. Was ist das für ein seltsamer Führer, heißt es bald, warum nimmt sich der keine Frau? Will er nicht? Kann er nicht? Aber mit vierundvierzig Jahren, wie in meinem Falle, wenn der Führer sich da nicht sofort eine Gefährtin wählt, da denkt das Volk dann: Na ja, er muss ja nicht, wahrscheinlich hat er schon. Und: Schön, dass er sich nur um uns kümmert. Und so geht das fort. Je älter man wird, desto mehr erreicht man die Rolle des Weisen, nebenbei bemerkt auch ganz ohne eigenes Zutun. Es gibt da diesen Schmidt, dieser uralte frühere »Bundeskanzler«, dieser Mann etwa hat absolute Narrenfreiheit und kann Blödsinn reden noch und noch. Man setzt ihn in einen Rollstuhl, wo er in ununterbrochener Reihenfolge Zigaretten abbrennt und in einem unerträglich langweiligen Duktus die dümmsten Allgemeinplätze verkündet. Dieser Mann hat überhaupt nichts begriffen, und wenn man es einmal nachliest, dann stellt sich heraus, dass sich sein Ruhm lediglich auf zwei läppische Taten gründet, nämlich dass er im Fall einer Hamburger Sturmflut die Armee zu Hilfe rief, wozu man kein Genie sein muss, und dass er den entführten Industriellen Schleyer kommunistischen Verbrechern überlassen hat, was für ihn keine große Sache gewesen sein kann und ihm sogar gesinnungsgmäßig entgegen gekommen sein dürfte, denn Schleyer war immerhin lange Jahre in meiner SS und von daher dem Sozialdemokraten Schmidt mit Sicherheit ein Dorn im Auge. Aber nun, kaum vierzig Jahre später, wird dieser rollende Schwelbrand als allwissendes Orakel durch das Land gereicht, dass man meinen könnte, der Herrgott persönlich sei herabgestiegen.
Um beim Thema zu bleiben: Von diesem Herrn werden natürlich auch keine Frauengeschichten mehr erwartet.
Der Vorteil eines Alters von etwas über einhundertzwanzig Jahren ist freilich vor allem ein taktischer: Der politische Gegner rechnet nicht damit und ist vollkommen überrumpelt. Er setzt ein anderes Aussehen voraus oder eine andere körperliche Verfassung, im Allgemeinen wird die Realität komplett geleugnet, weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Das führt zu sehr »unangenehmen« Folgen: So hat man beispielsweise kurz nach dem Kriege alle Taten der nationalsozialistischen Regierung zu Verbrechen erklärt, völlig abstrus, letztlich war das ja eine gewählte Regierung. Und man hat
Weitere Kostenlose Bücher