Er trank das ewige Leben
hätte dienen können.
Ekel stand in Mareks Gesicht geschrieben.
Er ging einen Schritt zurück – und hörte dabei das Stöhnen hinter sich.
Er drehte sich um.
Negru stand da und konnte nicht mehr. Er weinte und stöhnte. Er hatte seine Töchter angesehen, er wußte jetzt, was dieser Mephisto ihnen angetan hatte, und er mußte plötzlich würgen. Rasch drehte er sich zur Seite, ging einige Schritte weiter, beugte den Kopf nach vorn und mußte sich übergeben.
Marek ließ ihn in Ruhe. Er konnte sich in diesen Mann hineinversetzen, der nicht nur Mensch war, sondern auch Vater. Aber er dachte anders.
Er war der Pfähler, und er war gekommen, um hier die Arbeit zu verrichten, die man von ihm erwartete. Marek drehte sich wieder um.
In seinem Gesicht rührte sich nichts, als er zum zweiten Mal an die beiden Untoten heranging. Noch immer glotzten sie ihm mit den verdrehten Augen entgegen, jetzt schlugen sogar die Zungen aus den Mundöffnungen hervor wie alte Lappen.
Marek wollte die Körper nicht sehen. Er wußte auch so, wo er den Pfahl anzusetzen hatte.
Zuerst nahm er sich die rechte Blutsaugerin vor. Er setzte den Pfahl genau an die Stelle, wo normalerweise das Herz eines Menschen schlägt. Marek hatte darin Routine.
Aber auch die Vampirin – ob Constanza oder Marina, er wußte es ja nicht – merkte, was mit ihr geschehen sollte. Ein gewaltiges Zittern rann durch ihren Leib. Sie zerrte an ihren Fesseln, und Marek hob den Pfahl noch einmal an.
Kein Wort drang über seine Lippen, als er ihn mit großer Kraft nach unten rammte.
Die Spitze drang in den Körper ein, zerstörte Sehnen, ließ Knochen splittern und endete dort, wo sie die Vampirin von ihrem Dasein erlöste.
Mitten im Herzen!
Marek schloß die Augen. Er beugte sich, als wollte er sich noch gegen den schrägen Körper stützen, und über seine Lippen floß ein gequält klingendes Stöhnen.
Sekundenlang blieb er in dieser Haltung stehen, bevor er wieder soweit war, daß er den Pfahl mit einer heftigen Bewegung aus dem Körper zerren konnte.
Er drehte sich nicht zu seinem Freund hin um, sondern kümmerte sich um die Schwester. In den letzten Sekunden hatte er nicht auf sie achten können, jetzt aber wurde er auf sie aufmerksam, denn sie hatte gespürt, daß ihre Zwillingsschwester nicht mehr existierte, und sie wollte nicht, daß ihr das gleiche Schicksal widerfuhr.
Die Untote bäumte sich auf. Ihre Kraft war einfach furchtbar, sie wollte die Fesseln zerreißen, die Äste brechen. Sie wollte alles auf einmal.
Marek stand vor ihr und schüttelte den Kopf. »Als Mensch tust du mir leid«, flüsterte er, »aber nicht als Feind der Menschen.« Die Worte waren sein Abgesang, denn dann trat zum zweiten Mal sein Pfahl in Aktion, und er traf ebenso sicher wie zuvor.
Auch diese Untote wurde erlöst. Die Äste bogen sich noch mal durch, aber sie hielten, als der Körper zuckte und letztendlich schlaff wurde. Der Kopf kippte zur Seite weg, und die Zunge hing noch immer aus der Öffnung, als wollte die Person durch diesen Ausdruck ihren Mörder noch einmal verspotten.
Es war vollbracht, und Marek drehte sich um. Er spürte den Schwindel, aber er spürte auch eine große Last, die nicht mehr auf seinen Schultern lastete. Er hatte sich vor diesen Minuten gefürchtet, schließlich waren es die Töchter seines Freundes gewesen, aber das hatte er jetzt hinter sich gebracht.
Sein Arm sank nach unten.
Er reinigte den Pfahl im Gras bevor er ihn wieder einsteckte.
Es war mittlerweile ziemlich dunkel geworden. Mit müden Schritten ging er weiter und näherte sich den Geräuschen, die sein Freund abgab.
Negru saß im Gras und weinte. Er hatte sich mit dem Rücken gegen einen Baumstamm gelehnt. Er zitterte, er nahm Marek nicht zur Kenntnis, der ebenfalls Ruhe brauchte und sich neben den Freund setzte.
Marek hatte es geschafft. Beide Blutsaugerinnen würden nicht mehr auf die Jagd gehen, aber tief in seinem Innern wußte er auch, daß er das Grundübel in diesem Fall noch nicht beseitigt hatte.
Mephisto ›lebte‹ noch immer!
***
Sie waren wieder in die Hütte zurückgekehrt. Negru hatte sich auf seinen Freund Marek stützen müssen. Jeder Schritt war für ihn zur Qual geworden, und er hatte nur gesagt, daß er die beiden Erlösten am nächsten Tag begraben wollte. Einfach so, ohne den Beistand der Kirche, nur hatte er um Mareks Hilfe und Beistand gebeten, was dieser als selbstverständlich ansah.
»Wenn du schlafen willst, Negru, ich habe nichts dagegen«,
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