Er
gekauft, in der er die Suche nach der Lychener Straße aufgegeben hatte. Für ihn schmeckte ein roher Fisch wie der andere, nach nichts, wie die Rinde der Bäume in der Lychener Straße, die wohl exakt gleich schmeckten wie die Rinde der Bäume vor dem Geschäft des falschen Japaners.
»Also, wenn du das nicht merkst …«, sagte Lea. In ihren Augen leuchtete nur der Widerschein der Deckenlampe, aber nichts, das Jensen galt. Es war der Blick einer Frau, die die Nacht lieber mit einem anderen verbracht hätte.
Jensens Misstrauen verselbstständigte sich, er war sich der Gefahr bewusst, kriegte aber die Zügel nicht zu fassen. Es war einfach nur der Blick einer Frau, die acht Stunden Blumen verkauft hatte und nun das falsche Sushi vorgesetzt bekam.
Dennoch stimmte etwas nicht. Jensen konnte es aus der Luft greifen. Die Luft um Lea war etwas dicker, so kam es ihm vor, gesättigt mit ihren Gedanken an den anderen.
Sie sprach selten über ihre Gefühle für Jensen und wählte Formulierungen, die sie notfalls zurücknehmen konnte, so als laufe ein Tonband mit, sie wollte keine Beweise liefern. In ihren Küssen lag oft etwas Zurückhaltendes, als müsste sie es sich noch einmal überlegen. Manchmal schaute sie ihn an, als könne sie etwas nicht glauben. Wenn er sie darauf ansprach, erzählte sie kleine Geschichten zur Ablenkung.
»Hossam war ein Geruchsmensch, noch stärker als ich«, hatte sie gestern gesagt. »Einmal hatte ich eine kurze Affäre, nichts Bedeutendes. Ich duschte mich, wusch meine Haare, aber hinter den Ohren wusch ich mich nicht. Als Hossam abends kam, schnüffelte er hinter dem Ohr und sagte: Aha. Südländer?« Lea lachte, als würde sie es einem Unbeteiligten erzählen, jemandem, dem nicht wie Jensen das Herz klein wurde beim Zuhören. »Es war ein Argentinier, italienischer Abstammung. Und Hossam roch es am Rasierwasser.«
»Und dann?«, fragte Jensen.
»Dann was?«
»Wie hat Hossam reagiert?«
»Es fiel ja nicht ins Gewicht. Ich liebte ihn, nicht diesen anderen.«
»Aber geschlafen hast du mit dem anderen.«
»Siehst du?«, sagte sie. »Sobald man über die Vergangenheit redet, endet es mit Missverständnissen und Eifersucht. Komm jetzt, schnüffle hinter meinem Ohr. Wonach riecht es dort?«
»Darf ich von dem Joghurt?«, fragte Toni.
»Bring mir auch was davon«, sagte Lea.
Toni öffnete den Kühlschrank.
Jensen kaute kalten Reis.
»Das ist aber nicht der Richtige«, sagte Toni.
»Zeig her«, sagte Lea.
Jensen saß am falschen Tisch. Er hatte den Joghurt in der Bio Company gekauft. Kauf ihn in der Bio Company, hatte Lea gesagt.
»Der ist von Söbbeke«, sagte Lea. »Wir kaufen sonst immer den von Andechser.«
»Du sagtest, Stracciatella-Joghurt«, sagte Jensen. »Und das ist Stracciatella.«
»Ja, aber das ist Söbbeke«, sagte Toni. »Das ist ein Unterschied wie zwischen China und Schweiz.«
»Das ist ein falscher Vergleich«, sagte Lea. Der Abend war wie etwas, das an der Schuhsohle kleben bleibt. Jensen brannten die Augen, er stand auf und öffnete das Fenster.
»Willst du, dass ich krank werde?«, fragte Toni. Sie rieb sich die Arme. »Ich hab morgen einen Vortrag über Metamorphose. Weißt du, was das ist?« Sie trug keine Socken, sie war in den paar Wochen, seit Jensen sie kannte, dreimal krank gewesen, und heute war der Abend, an dem er übergriffig wurde, wie Lea das nannte.
»Wenn du dir Socken anziehen würdest«, sagte er, »müsstest du dir um deinen Vortrag keine Sorgen machen.«
»Hannes hat recht«, sagte Lea. »Geh und zieh dir Socken an.«
»Er darf mich nicht erziehen«, sagte Toni. »Er hat nicht das Sorgerecht. Außer du heiratest ihn. Wollt ihr heiraten?«
»Ja«, sagte Lea. »Wenn du dir keine Socken anziehst.«
Toni rannte aus der Küche.
»Sie mag dich nicht«, sagte Lea. Sie trank ihr Weinglas leer. Es war das dritte. »Ich hatte gehofft, dass es bei dir anders ist. Aber es ist so wie immer. Sie mochte alle meine Männer nicht.«
Alle ihre Männer.
»Und wie viele mag sie zur Zeit nicht?«, fragte Jensen. Auch er trank das dritte Glas, eine neue Flasche wurde benötigt.
»Ach, Hannes.« Sie schüttelte den Kopf, blickte über seinen Kopf hinweg, sah erschöpft aus, gelangweilt. »Und bitte misch dich nicht in meine Erziehung ein. Wenn ich will, dass sie Socken trägt, sag ich ihr das selbst.«
Nein, der Abend war wie ein Pferd, das zwei tote Pferde über einen Acker schleppt.
»Ich bin gleich wieder da«, sagte Jensen.
Es war der erste
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