Er
automatisch. Ihr Stöhnen erinnerte ihn an Annick, die manchmal morgens mit dem Möbeldesigner schlief und abends mit ihm, einem Mann mit schlechter Nase, der den Geruch des anderen nicht roch hinter Annicks Ohr. Was für ein tumber Affe er gewesen war, seine Wahrnehmungsfähigkeit war keinen Pfifferling wert! Einmal allerdings, als er Annicks Bauch küsste, bemerkte er etwas Klebriges auf ihrer Haut, über den Schamhaaren, das Möbeldesigner-Sperma, eingetrockneter Bettenzeichnersaft, resistent gegen Duschwasser. Aber er hielt es damals für nichts, leckte es sogar spielerisch weg, bei dem Gedanken zog sich ihm jetzt der Mund zusammen. Annick war eine intelligente Frau und nicht ohne Herz, zuverlässig, diszipliniert, welterfahren, ihre Entscheidungen hatten Hand und Fuß. Sie war, was man einen anständigen Menschen nannte, aber auf Anständigkeit war kein Verlass, Intelligenz diente der klugen Verschleierung, das Herz war ein treuloses Wanderorgan.
»Warte«, sagte Jensen.
»Was denn?« Sie bewegte ihr Becken auf und ab. »Worauf warten?« Sie hielt es für ein Spiel.
»Du hast meine Frage nicht beantwortet. Nicht wirklich. Es ist wichtig für mich. Schläfst du mit einem anderen?« Er kam sich getrieben vor, er wusste, wo das endete.
Sie hielt in der Bewegung inne. Ihre Augen waren dunkel. Sie atmete langsam aus. Stieg von ihm. Zog ihr Nachthemd an. Öffnete das Fenster, die kalte Luft drang ins Zimmer, ungeduldig, als hätte sie lange auf diesen Moment gewartet.
»Gehst du bitte raus«, sagte Lea. Sie stand vor dem Bett. »Ich möchte allein schlafen. Du kannst ins Gästezimmer. Gehst du bitte gleich.« Sie rieb sich die Lippen, wie um seine Küsse wegzuradieren.
Das Gästezimmer schürte sein Misstrauen, es war eine Männerkammer. Man erreichte sie über eine Wandtreppe, gebückt ging man die zwei Schritte bis zum Bett. Jensen lag darauf, mit ausgestrecktem Arm konnte er die Decke berühren. In der Enge rückten ihm die anderen Männer auf den Leib. Er glaubte, ihre Präsenz zu spüren, die Ähnlichkeit ihrer Gedanken mit den seinen. Für wen sonst, wenn nicht für die Rivalen war diese Kammer gedacht. Toni, die für ihr Alter zu klug war, brachte keine Freundinnen mit nach Hause, die anderen Mädchen hielten sie für seltsam, das hatte Lea einmal erwähnt. Und wenn, hätten die Freundinnen doch in Tonis Zimmer übernachtet. Anna wohnte um die Ecke, sie war keine Kandidatin für diese Kammer, die außerdem ihren Ansprüchen nicht genügt hätte. Linda und Ida, Jensen kannte sie nicht, aber Lea erzählte oft von ihnen, gute Freundinnen, sie wohnten im selben Bezirk, weshalb hätten sie hier übernachten sollen?
Nein, es war die Männerkammer. Wenn Lea ihre Ruhe haben wollte, wenn sie sich mit ihrem Liebhaber zerstritt wie jetzt mit Jensen, wenn der Geliebte schnarchte, wurde er hierher verbannt. Das kleine, harte Kissen für den Männernacken. Die dünne Bettdecke. Es wurde erwartet, dass die, die hier übernachteten, etwas aushielten. Und das Bett war nicht frisch bezogen. Jensen roch am Kissenbezug. Es hatte sich ein Geruch darin erhalten, war aber wohl eher Waschmittel als Rasierwasser, man roch, was man riechen wollte. Männerhaare, Jensen suchte in den Falten des Spannlakens danach. Er entglitt sich. Er unterlag fremder Steuerung. Er kam sich vor, als wühle er in einem Mülleimer nach Bierdosen, in denen noch ein Schluck drin ist. Er schwitzte vor Enttäuschung über sich selbst. Er fand ein Haar, es war fingerlang und silbergrau und vielleicht sein eigenes, schwer zu sagen, es war nicht beschriftet.
Jedoch gab es andere Indizien.
Lea streichelte ihn nie. Ein einziges Mal hatte er ihre Hand auf seinem Haar gespürt. Er aber streichelte sie oft, vor allem, wenn sie nach der Arbeit erschöpft ihren Kopf in seinen Schoß bettete und mit angewinkelten Beinen döste. Er strich über ihr Haar, bis es glänzte. Er legte die Hand auf ihre Wange, folgte mit dem Finger dem Verlauf ihrer Lippen, sie mochte es, wenn er hinter ihrem Ohr kleine Dummheiten machte, sie sanft zwickte oder ihr das Ohr nach vorn drückte. Er kannte ihr Gesicht besser als sie seines, denn sie widmete sich ihm nicht. Wenn sie sich liebten, berührte er sie an vielen Stellen, sie aber war nur an seinem Brusthaar interessiert, das sie Fell nannte. Anfangs hatte ihre Sparsamkeit ihm behagt, er berührte lieber, als dass er berührt wurde. Mit der Zeit nährte es aber seinen Verdacht, dass ihr die Gefühle fehlten, die für Zärtlichkeit
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