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Er

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Titel: Er Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linus Reichlin
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dem Bett. Ihre trockenen Lippen blieben aneinander kleben. Jensen leckte sich ein Hautfetzchen weg. Er beschloss, Lea zu fragen.
    »Bin ich der Einzige, mit dem du schläfst?«
    Sie schlug die Augen auf, schaute ihn eine Weile an und trank einen Schluck Wasser. Dann schloss sie die Augen wieder.
    »Gut. Sprechen wir über etwas anderes«, sagte er. »Zum Beispiel darüber, dass du den Namen meiner Tochter nicht kennst. Findest du das nicht merkwürdig?«
    In der Wohnung nebenan schlug jemand einen Nagel in die Wand, um diese Zeit.
    »Dass du nie danach fragst, was ich in Brügge gemacht habe. Meine Ehe. Das Kind. Mein Beruf. Jedes Mal, wenn ich etwas davon erzählen will, legst du mir die Hand auf den Mund. Du sagst, meine Vergangenheit interessiere dich nicht. Das könnte ich ja akzeptieren. Aber ehrlich gesagt glaube ich, dass es dir vor allem darum geht, nicht über deine Vergangenheit zu sprechen. Warum nicht? Warum willst du nicht darüber reden?«
    Der Nachbar hämmerte.
    Lea stand auf. In der Ecke neben dem Bett lehnte ein Baseballschläger. Gegen Einbrecher. Sie klopfte mit dem Knauf gegen die Wand. Das Hämmern hörte augenblicklich auf.
    »Ich finde dich heute Abend in jeder Hinsicht unattraktiv«, sagte sie. Sie warf den Baseballschläger aufs Bett. »Ich werde mit dem Ding da schlafen. Das beantwortet dann deine erste Frage. Und dieser Baseballschläger will nicht der Einzige sein, das ist wohltuend. Es ist ihm egal, wenn noch andere im Bett liegen, du zum Beispiel. Warum willst du der Einzige sein?« Sie zog ihr Nachthemd hoch und setzte sich auf Jensen. »Glaubst du, dass man nur einen Menschen lieben kann? Ich behaupte, man kann gleichzeitig so viele Menschen lieben, wie die Zeit es erlaubt.« Sie ließ ihr Haar über sein Gesicht fallen und küsste ihn. »Bei der Liebe geht es nur um Zeit«, sagte sie. »Ich könnte mich nicht in zehn Männer gleichzeitig verlieben. Mir würde die Zeit fehlen, um mit allen Gespräche zu führen, mit ihnen zu schlafen, zu streiten, mich mit ihnen zu versöhnen, Pläne für die Zukunft zu schmieden und so weiter. Damit Liebe überhaupt entstehen kann, ist ein Mindestmaß an Zeit erforderlich. Und offenbar reicht die Zeit schon für drei nicht, deswegen kommt das so selten vor. Und auch nur in Frauenzeitschriften. Persönlich kenne ich niemanden, der zur selben Zeit in drei Menschen ernsthaft verliebt war. Ich kenne aber viele, die in zwei verliebt waren. Ich glaube sogar, dass es in gewisser Hinsicht sogar das Beste ist, gleichzeitig zwei Männer zu lieben. Man hat für jeden genügend Zeit, um eine tiefe Bindung aufzubauen. Aber man hat andererseits auch nicht zu viel Zeit. Man muss sich in jeder Hinsicht kurz halten, was zu sehr intensiven Begegnungen führt. Es ist ein bisschen wie Sushi: Man ist hinterher nicht mehr hungrig, aber auch nicht völlig satt.«
    »Das klingt nach Erfahrung«, sagte Jensen. Sie ging darauf nicht ein, es war auch ein zu erwartbarer Satz.
    »Wenn die Zeit theoretisch für zwei reicht«, sagte sie, »und die Begegnungen dadurch sogar an Qualität gewinnen, dann bedeutet das, dass man für einen zu viel Zeit hat. Das ist doch genau das, was du überall sehen kannst: Die meisten Paare haben zu viel Zeit füreinander. Sie wissen ihre Begegnungen nicht mehr zu schätzen, sie halten die Liebe für selbstverständlich und gähnen einander in der Kneipe an, weil sie sich schon alles gesagt haben in den vielen Stunden, die sie miteinander verbringen. Und hinterher gehen sie ins Kino und schauen sich Liebesfilme an, die fast alle auf Zeitknappheit beruhen. Er muss in den Krieg, oder sie reist nach Afrika, und sie können sich nur ganz selten sehen. Verstehst du? Ist ja nicht schwer«, sagte sie. »Also. Warum willst du der Einzige sein? Das ist nicht klug. In einem Jahr wirst du mich langweilen und ich dich. Aber ich kann’s nicht ändern. Ich werde mir keinen anderen suchen, nur damit unsere Beziehung länger spannend bleibt.«
    Sie streifte ihr Nachthemd ab, er blieb unbetört, ihr Körper kam ihm vor wie eine Bestechung. Dennoch vollbrachte er pflichtbewusst das Phänomen, sie presste die Schenkel gegen seine Hüften, einmal legte sie die Hände um seinen Hals, ohne zuzudrücken. Angestrengt bewegten sie sich, disharmonisch, gerieten aus dem Takt. Eine Stunde Arbeit, nur um nicht zu reden. Ihn störte ihr Gewicht auf seinem Schoß, die trügerische Nähe, voller Misstrauen lutschte er an ihrem Finger. Sie mochte das, und er tat es schon ganz

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